Die Welt von Smog: Aufstieg von Moloch

Brettspiele Frittenrezensionen
5

Knusperfritte

Eine Welt aus Fleisch und Metall

Wir schreiben das Jahr 1888, London, das British Empire. Im Miniaturenspiel Die Welt von Smog: Aufstieg von Moloch von David Rakoto und Christophe Madura (weitere Autoren sind Michael Shinall, Felipe Barros, Alexandru Olteanu) aus dem Hause Cool Mini Or Not (CMON), was hierzulande über Asmodee vertreiben wird, werden wir Spielende ins 19. Jahrhundert zurückversetzt. Ein Steampunk-Kampagnenspiel, bei dem eine*r die Nemesis spielt, und versucht die anderen in Grund und Boden zu stampfen. Zombies, Killer-Clowns, Agenten und Gentlemen – CMON hat sich wieder ausgetobt und bringt ein Spektakel auf den Tisch, bei dem die Augen funkeln. Aber ob es spielerisch auch überzeugt, wir werden sehen …

Der Einhorn Club in einer (Alptraum)Welt

Nein, keine Zuckerwatteblubbercocktails heute. Im Einhorn Club (Unicorn Club) geht es etwas anders zu, und ich schätze mal, dass die Häppchen und Getränke anders aussehen, als im antizipierten Einhorn-Schuppen, wie man ihn sich eventuell sonst vorstellen könnte. Auserlesene Ladys und Gentlemen kommen mit Zylinder und Schirmchen zusammen, und bei genauerer Betrachtung sieht man, so ganz „normal“ geht es hier nicht im Laden zu. Schrauben, Elektroarme, Feuer und Gewehre, und moment mal, ist das da ein Werwolf? Genau. Dieser Unicorn Club ist exklusiv, und so auch seine Menschen/Wesen.

Doch exzentrischer Mitglieder bedarf es zu dieser Zeit, denn diese Welt ist keine, wie man sie sich vorstellen kann.

Die Designer des Spiels Die Welt von Smog: Aufstieg von Moloch haben einen Hybriden aus Kohle, Dampf, Äther, Magie und Elektrizität erschaffen. Gepaart mit Subgenre-Themen, die einzeln für sich schon Unheimlichkeit erzeugen: Zirkuswelt, Ägypten, Steampunk, Monsterwesen, etc. Wie ein „pervers verketteter Umhang“ ist diese Welt zusammengewoben, und wenn Spielende sich auf das Thema und die Gestaltung des Materials einlassen, eröffnen sich vor dem geistigen Auge unheimliche Welten, abartige Schauerlichkeiten und eine fantastische (Alptraum)Welt.

DungeonCrawler im Zirkus und mit Ätherdampf

Wäre Die Welt von Smog: Aufstieg der Moloch ein Skript zu einem Blockbuster-Film, so wäre das Budget ein millionenfaches. Wahnsinn. Vor meinem spielerischen und filmischen Auge baut sich diese Welt düster und fantastisch auf, die in jeglicher Hinsicht üppig aussieht. Das Spiel schafft es schon beim Auspacken des Materials den Spielenden an die Hand zu nehmen, um ihn auf eine Fantasiereise mitzunehmen. Sobald das Regelheft und noch mehr das Kampagnenheft aufgeschlagen wird, geht die Gedanken- und Fantasiemaschine im Kopf los. Dunkle Gassen in London, Rauch und Dampf, ein abgeranzter Zirkuswagen, an dem ein halbzerfetzter Zombie vorbeistreicht, ein gewandeter Gentlemen mit Elektroauge zuppelt an der futuristischen Knarre, und zielt damit auf ein unheimlich wirkendes Wesen im Pestdoktor-Outfit, welches eine Leiche auseinanderrupft und Blut in kleine Flaschen abfüllt. Dunkel. Schrauben. Stein. Zahnräder. Leuchtendes Licht. Zirkus. Ägypten. Tod. Leben. Dampf.

Die Welt von Smog ist eine unglaubliche, fantastische und unvorstellbare Welt.

In einem DungeonCrawler, in dem man in finstere Gänge steigt, unter der Erde, in Bergen und Stollen, düstere Burgen herumstreift, könnte man fast erahnen, auf welche Gefahren man stößt. Hier führt uns das Spiel in ein ganz anderes Setting, was ich so in einem Spiel noch nicht gesehen habe. Mich zumindest spricht diese Welt an. Und ich meine damit nicht allein zu sein, denn Die Welt von Smog: Aufstieg von Moloch wurde als Kickstarter-Kampagne mit über 1 Million erfolgreich zu Ende gebracht. Knapp 8000 Unterstützende haben 2018 schon Geld reingepfeffert, und durch die Vermarktung danach werden es noch mehr gewesen sein.

CMON ist es gelungen optisch und inhaltlich eine Welt zu erschaffen, die zum träumen verführt. Das Setting ist einfach nur exzellent, anders kann ich das nicht sagen. Wenn die Kampagnengeschichten eingeleitet, die Karten angeschaut und die Figuren bewundert werden, dann fängt die Gedankenmaschine an zu rattern. Also, inhaltlich ist das Ding echt toll, und ich bin erstaunt, wie CMON es schafft diese verspielten Traumwelten zu schaffen. Wahnsinn.

Aber Spiel ist nicht nur Tor zum Fantasie-Streich im Kopf, sondern an sich auch Spiel, was zum spielen bringen soll. Wie schaut es denn da aus?

Spielrunden

Eine Spielrunde ist eigentlich ziemlich simpel in der Zusammenfassung. Eigentlich. Sogar so simpel, dass CMON es schafft diese auf einer Seite zusammen zu fassen, um einen Kurzüberblick zu schaffen. Eigentlich!

Wir legen in der ersten Phase, in der Befehlsphase, Karten auf eine Aktivierungstafel. Danach werden nach und nach die Karten aufgedeckt, und man erkennt, welche Figuren (Gentlemen, Agenten, Verbündete und Schergen) aktiviert werden. Diese können kann in der zweiten Phase ihre Aktionen durchführen, und diese sind Spielenden schnell klar, die hier und da einen DungeonCrawler schon mal gespielt haben. Wir bewegen uns, können angreifen, wir können uns ausruhen und so weiter. Nach dieser Hauptphase räumen wir in der dritten Phase dann alles auf, schauen wie die Siegbedingung aussieht, und bereiten die nächste Runde vor. Also, an sich total simpel. Eigentlich.

Schaut man aber noch etwas genauer hin, so sieht man, dass der Teufel im Detail steckt. Na ja, ganz der Teufel ist es nicht, aber es gibt schon Feinheiten, die man erst nach ein paar Partien im Blut hat. Sichtlinie, Absetzschäden, Wiederbelebungen, Karten aktivieren, Spezialfähigkeiten und so weiter. Aber das alles ist lernbar. Schwer ist es nicht, nur an manch Dinge muss einfach gedacht werden.

Dies ist ein Punkt, der in manch meiner Runden aufgefallen und nicht so schön angemerkt wurde. Die Welt von Smog: Aufstieg von Moloch scheint an manch Stellen etwas zu kompliziert zu sein, wobei es an sich viel einfacher sein könnte. Ich bin mir sicher, dass manch Hausregel hier und da umgesetzt wird.

Spiel in Folge

Die Welt von Smog: Aufstieg von Moloch ist auf Kampagne ausgelegt. Sechs Kapitel sind im Kampagnenheft beschrieben, und die vielen Erweiterungen lassen noch mehr Spielszenarien erfahren. Aber in einzelnen Szenarien kann man das Spiel auch spielen, wobei es dazu nicht sonderlich ausgerichtet ist. Das Spiel lebt davon, dass man in Folge sich entwickelt, Dinge, die gefunden und abgenommen wurden, gebraucht werden, dass die Nemesis in Spielefolgen sich entwickelt und dass das Intermezzo zu anderen Spielen führt. In den ersten Kapiteln spielen wir uns durch den Januar 1888, und sie führen uns zu unterschiedlichen Herausforderungen und Settings. Während wir in einem Kapitel eine holde Frau retten müssen und uns gegen Feuer zur Wehr setzen, dann müssen wir ein Ritual beenden, Fragmente besorgen, bestimmte Personen besiegen und so weiter.

Spielt man sich durch die Kampagne, erfährt man immer mehr von der Welt und das Bild von den vielen Bereichen verweben sich zu einem großen Bild. Man sollte sich am besten einen ganzen Tag oder n Wochenende vornehmen, um sich durch die Szenarien durchzuspielen.

Ungleichgewicht?

Die Rollenbesetzung bleibt gleich. Alle Gentlemen-Spielende spielen gegen die Nemesis, den Bösen, der versucht die Mitglieder des Einhorn-Clubs zu vernichten und seine Ziele zu erreichen. Jedes Kampagnenspiel weist eine Gentlemen- und eine Nemesis-Siegbedingung auf.

Ich habe es erlebt, dass die Nemesis schon recht stark im Spiel vertreten ist. Mein lieber Scholli. In manch Situationen hatten wir gar keine Chance, da die Nemesis so stark auf uns eindrosch, dass wir winselnd durch die Gassen liefen. Wenn die Nemesis mit Chaoskarten zuschlägt, kann so manch Runde schon recht übel für die Gentlemen verlaufen. Ausbreitendes Feuer und miese Würfelwürfe sind hier nicht sonderlich förderlich.

Herrscht hier ein Ungleichgewicht? Oder hatten wir nur die Erfahrung gemacht? Haben wir als Gentlemen „schlecht“ gespielt, oder waren die Würfel uns nicht hold? Wir wissen es nicht, aber manch Partie war frustrierend. Gentlemen-Spielende könnten ein dickes Fell gebrauchen, wenn brennende Zombies, Grabräuber, Moloch-Brut und die Hammer-Lotties losdreschen.

Fazit

Mein Fazit ist geteilt. Auf der einen Seite bin ich absolut begeistert, was dieses Spiel an Gedanken, Träumen und Fantasien anregt. Wahnsinn! Ich bin absolut geflasht vom Setting, und kann mich in die Geschichte sofort hineinträumen. Wer raus aus dem Mittelalter- und Fantasie-Setting will, und wer auch vom Weltall und Raumschiffen genug hat, mit diesem Setting bekommt man eine Welt geboten, von der man (nicht) träumen will.

Spielerisch: Da habe ich ganz andere DungeonCrawler gespielt, die mir mehr gefallen. Ich mag eher die Raffinesse von Massive Darkness, ich bin ein Fan von Zombicide und auch ein Lobotomie kann mir sehr gerne auf den Tisch kommen, wie auch ein Cthulhu: Death May Die. Ob ich jetzt dieses hier brauche, hm, ich weiß nicht. Tatsächlich muss ich mich bei jeder neuen Runde auf das Spiel „einarbeiten“. Ich habe die Regeln und den Spiele-Flow eher als Arbeit erlebt, als dass die Spielweise in einander übergreift. War ich im Spiel, war ich drin. Aber bis es soweit war, musste ich etwas Arbeit reinstecken. Das bremst mich etwas aus, was ich schade finde. Dabei sind die Regeln alles andere als schwer, da kenn ich anderes. Aber dennoch war ein kleiner Aufwand-Geschmack im Spiel, der den Flow etwas getrübt hat.
Schade.

Lecker

  • Wow, die Ausstattung ist einfach der Hammer und die Geschichte ist einfach unglaublich - sie lädt zum Träumen ein

Pfui

  • Zu viele Regelkleinigkeiten, die das "wieder ins Spiel kommen" schwieriger machen

Fazit

Funfairist lässt die Maschine rattern und sagt

Ich vergebe dem Spiel nach meinen Partien doch nur eine Knusperfritte. Dafür eine sehr gute. Das Setting ist der absolute Hammer und ich kann einen Köpper in die Story machen. Gäbe es zu dem Spiel und dem Setting eine Serie oder n Film – ich wäre sowas von dabei. Spielerisch hat mich das Spiel jetzt nicht ganz so abgeholt. Es ist okay, aber umgehauen wurde ich jetzt nicht. Jetzt nach den Szenarien frage ich mich: Wann wird die Welt von Smog wieder auf den Tisch landen? Ich weiß es nicht ... Herzlichen Dank an Asmodee, die uns ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben.
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Knusperfritte