Enthülle den Sarkophag
1986 gab es eine Kettenreaktion im Kernkraftwerk von Tschernobyl auf dem Gebiet der damaligen Sowjetisch-Sozialistischen Ukraine. Eine Sicherheitszone mit einem Radius von 30km um den Ort des Vorfalls wurde errichtet. Jeder, der dort lebte, wurde in aller Eile evakuiert. Wer zurückblieb, fiel der Strahlung zum Opfer. Der radioaktive Bereich um den Sarkophag, in den das gesamte Gebäude gehüllt wurde, wird heute (liebevoll) als ZONA bezeichnet. Und genau in diese Gebiete begeben wir uns und versuchen Mutationen und Anomalien zu bekämpfen, Gegenstände zu sammeln und der Strahlung fern zu bleiben. Ich berichte heute vom sehr thematischen Spiel Zona von Maciej Drewing und Krzysztof Glosnicki, was bei Rebel und hierzulande bei Corax Games erschienen ist. Kommt mit und zieht euch die Gummistiefel über.
Sperrzone – nicht für uns
Es gibt Spiele, in die kann ich richtig eintauchen. Gleich und sofort. Kopfüber. Zona zum Beispiel ist so eins. Schon bei meinen ersten Runden war es so, dass mich die Geschichte und die Erlebnisse sehr ergriffen und erreicht haben. Mit dem Spielfeld, den über 100 Karten, den vielen Möglichkeiten und mehr ist in Zona echt ne Menge Geschichte und damit auch Entscheidungen drin. Das fand ich super und finde es immer noch.
Tatsächlich bin ich gar nicht so der Story-Typ. Einige Spiele, die von Geschichte leben, spiele ich sehr gerne, wie zum Beispiel T.I.M.E Stories, oder die Aufklappbücher-Spiele von PlaidHat Games, wie Aftermath oder Der Herr der Träume, aber wenn ich es mir aussuchen kann, greife ich eher zu Eurogames, die mechanisch wie Zahnräder in einander greifen und viel Planung und Strategie abverlangen.
Doch ganz nein sage ich nicht bei Story-Spielen. So auch nicht zu Zona, denn in Zona machen wir spielerisch nicht sonderlich viel. Tatsächlich laufen wir mit unseren Aktionspunkten nur rum, führen Proben durch, und dann war es das auch. Wer also hier viel Gehirnschmalz erwartet, nein, der ist bei Zona falsch und nicht richtig. Hier passiert nicht viel spielerisches.
Aber dafür passiert storymäßig ne Menge bei Zona, denn mit nur wenigen Mitteln schafft das Spiel eine bedrückende Stimmung zu erzeugen, die mich zumindest sehr abholt und in ihren Bann zieht.
Tatsächlich erinnert mich das Spiel stark an Winter der Toten, bei dem wir auch storymäßig ne Menge erleben. Nur dass wir hier nicht (semi)kooperativ zusammen spielen, nein, sogar nicht.
Auch in Zona werden oft Ereigniskarten gezogen, bei denen wir Entscheidungen treffen müssen, oder Proben auswürfeln, oder das hier und da etwas passiert. Manch Ereignisse sind sehr atmosphärisch, und ich konnte mich sehr gut in manch Situation hineinversetzen, wie es wohl wäre, wenn ich in einem Labor zum Beispiel auf ein mutiertes Tier treffe, oder wenn in einer Strahlungswarte auf einmal das Licht ausgeht und alles stockfinster wird, und man nur Geräusche wahrnimmt – spooky.
Auch auf dem „offenen Feld“ passiert einiges, und seltsame Mutationen und Anomalien erscheinen und wollen einem an den Kragen.
Die anderen und besonders Zona
In Zona übernimmt jede Runde einer der Mitspielenden Zonas-Stimme und ist für manch Entwicklung im Spiel verantwortlich. So hetzen wir uns gegenseitig Kreaturen auf den Hals, lesen Karten vor, würfeln manch Dinge aus und führen Strahlungen durch. Ja, in Zona sind wir keine Freunde – das wirklich nicht. Jeder und jede versucht hier möglichst schnell die verschiedenen Schlossmarker zu knacken, um wertvolle Geheimnisse zu lüften, um dann am Ende in das Atomkraftwerk einzudringen, um sagenumwogenen Sarkophag zu lüften. Aber um da hin zu kommen, sollte die eigene Ausrüstung gut gepimpt sein, denn Strahlungen, Kreaturen und manch Herausforderung machen uns das Leben schwer, und tatsächlich kann der Charakter auch im Spiel sterben, was aber okay ist, denn mit einem neuen Charakter kann man wieder von vorne beginnen.
Und in jeder Runde liegt Zonas Stimme über allem, die mit einem vorgelesenen Gerücht die Situationen auf dem Spielplan ändert und die Strahlungswerte hochtreibt. Strahlung ist im Spiel echt böse, und wer sich nicht sicherheitshalber in einem Bunker versteckt, wird von der Strahlung erfasst und verseucht. Sollte man nicht über Schutzkleidung verfügen – auweia, das kann böse enden. Darum muss man immer gut entscheiden, wie weit man sich ins Land wagt, denn die Strahlung kann schneller eintreffen, als man denkt – hängt hier und da ganz von Zonas Stimme ab.
Viel Geschichte – wenig Spiel
Dass das Spiel von der Geschichte lebt, habe ich schon geschrieben, und wer das mag, ist hier echt sehr gut bedient. Das Spiel schafft Erlebnisse, tolle Geschichten, tatsächlich auch Spannung, und manch fantasievoller Mensch wird sogar etwas Unbehagen spüren können, wenn man sich drauf einlässt.
Spielerisch passiert hier aber nicht wirklich viel. Tatsächlich kann sich eine Spielrunde auch ganz schön hinziehen, denn obwohl man nur 2 Aktionspunkte zur Verfügung hat, die man ganz schnell mit „gehen – gehen“ ausgeben könnte, so könnte man auch mit manch Suchaktionen, oder vor allem Begegnungen Zeit aufwenden. Auch wenn wir nur manch probe erwürfeln, so kann es sich ziehen, da Kartenteile vorgelesen werden, Würfelwiederholungen Stattfinden, Karten aktiviert werden, und so weiter. In einer Besetzung von 4 Personen kann das schon mal dauern.
Auch manch Ereignisphase kann etwas zeitaufwendiger sein, wenn manch Entscheidung zum Beispiel etwas dauert.
Das einzig spielerische ist die Würfelprobe, wo wir einen 6seiter würfeln, und hoffen, dass eher Erfolge gewürfelt werden, als nichts, Minus oder Dreiecke. Diese können ganz schön schäbbig sein und zu Strahlungsverletzungen führen.
Auf dem Marktplatz können wir uns mit Krempel und Ausrüstung bestücken, die uns im Kampf, bei Proben oder wo auch immer gut aushelfen können.
Augenerstrahlung
Ich finde Zona optisch und haptisch schön, wenn man hier von „schön“ sprechen kann. Die Miniaturen sind sehr gut, die Zeichnungen sind erste klasse und ich mag die Geschichten, die sich um unsere Charaktere herum spielen. Ich finde das Spielbrett vollkommen passend und auch manch Gefahrenmarkergestaltung ist cool gemacht. Die Ereigniskarten selber sind sehr textlastig und geben keinen Platz für Zeichnung, was man aber auch nicht braucht, denn es geht um Fantasie und Story.
In der Schachtel steckt ne Menge drin, und wenn man das Spielfeld mit all seinem Material mal ausgepackt hat, ist der Spieltisch recht voll. Also, wer auf volle Tische und Menge TamTam steht, ist bei Zona schon mal gut bedient.
Spielfreude
Wie schon gesagt, ich finde Zona echt gut und ich mag die vielen Geschichten sehr. Ich bin gespannt, welch Geheimnisse sich noch im Kraftwerk befinden, denn die Sarkophag-Ereignisse habe ich noch nicht alle durch.
Jedoch finde ich die Spieldauer tatsächlich etwas ermüdend. Dafür passiert spielerisch zu wenig im Spiel. Eigentlich ist es ein Wettlauf, wer zuerst die beiden Geheimnisse einsammelt, und alle spielen für sich alleine. Zwar kann man als Zonas Stimme hier und da den anderen was Böses auf den Hals hetzen, und manch Entscheidung kann andere Mitspielende treffen, aber sonst spielt hier jeder und jede für sich alleine. Das finde ich etwas schade. Hier hätte ich mir mehr Interaktivität gewünscht, oder aber die Möglichkeit, kooperativ zusammen zu spielen – gegen die Strahlung.
In einer zweier Runde kann man schon recht gut und schnell das Spiel spielen, wenn beide die Regeln kennen, die an sich auch nicht all zu schwer sind. Die Übersichtskarten geben einen sehr guten Überblick, und die Referenzen machen jede Ikonografie selbsterklärend.
Dennoch steckt mir im Spiel zu wenig Spiel drin. Dafür tolle Geschichten. Es kommt drauf an, was ich gerade spielen will und worauf ich Bock habe. Sollte ich in Stimmung auf Story sein, dann sehr gerne her mit dem Spiel. Ich lasse es jedoch gerne im Schrank, wenn ich etwas mehr strategischer und mechanischer spielen möchte.
Thematisch ist das Spiel allemal und allein dafür bekommt das Spiel ein Doppelplus von mir, was ich mir übrigens in vielen Würfelproben echt gewünscht hätte – ich bin so schlecht in Proben auswürfeln, so schlecht …