City of Angels

Brettspiele Frittenrezensionen
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Superfritte

Die tiefstehende Sonne scheint durch die Rollos ins verqualmte Büro.

Eine junge Frau mit langen Haaren sitzt an einem großen, hölzernen Schreibtisch. Das Büro ist dunkel, nur eine Schreibtischlampe erhellt den Raum. Eine abgebrannte Zigarette liegt im Aschenbecher. Auf dem Tisch steht sonst neben einer Schreibmaschine und einigen zerknüllten Papieren lediglich eine große Tasse dampfenden Kaffees. 

Es wird gleich Nacht, es sind die verdammten 40er und wir sind in Los Angeles. An jeder Ecke lungert ein Drogendealer, Mörder oder sonst was herum. Egal, ob Tag oder Nacht – in dieser Stadt „der Engel“ gibt es für die Polizei und das Morddezernat immer genug zu tun. Gut, dass es die Stichel gibt, diese Spitzel, die für ein bisschen Kohle die eine oder andere Info ausplaudern. Mal mehr und mal weniger ausführlich … und mal mehr und mal weniger verlässlich. Es ist immer ein Tanz auf einem Drahtseil … kommt eben drauf an, wen man vor sich hocken hat.

Ihr alle werdet klein anfangen, ihr Grünschnäbel. Aber wir haben hier schon einige Fälle, die für euch angemessen sein dürften. Wenn ihr irgendwann ein bisschen mehr Ahnung von dem habt, was ihr tut, dann lasse ich euch vielleicht auch an die Fälle, die für erfahrene oder die ganz abgebrühten unter euch sind. Aber ob es so weit kommen wird …? Das werden wir erst noch sehen.

Also, ran die Arbeit. Lasst mich hier endlich in Frieden. Ich habe noch genug andere Dinge zu tun. Und kommt erst wieder, wenn ihr die Lösung des Falls habt. Wagt es euch bloß nicht, mit irgendwelchen vagen Vermutungen um die Ecke zu kommen!

Engel überall!

In City of Angels ist es Noir – und ich kann direkt schon verraten, dass das „Noir-Gefühl“ nicht nur im Design, sondern auch in den Geschichten, die es aufzuklären gilt, ziemlich gut umgesetzt ist. Wer Bock auf ein etwas anderes Detektiv-Spiel in ebendiesem Stil hat, der sollte jetzt aufmerksam weiterlesen. Denn City of Angels ist genau das!

Die Box ist richtig schwer, ordentlich Kilos bringt sie auf die Waage. Darin enthalten sind ein Spielplan, diverse Hefte, Blöcke, Karten, Tafeln, Schachteln, Token und noch viel mehr. Das alles ist Material, das uns in unterschiedlichen Spielmodi eine Menge spannende Detektivfälle auftischt und für viele Stunden Unterhaltung sorgen kann. Vorausgesetzt, man spielt´s im richtigen Modus und in der richtigen Truppe und hat Freude an so einem Spiel.

Es handelt sich bei jedem Fall in der Box um „ein sorgfältig konstruiertes Rätsel“, wie die Anleitung selbst so schön sagt, und wir müssen die Stadt ein bisschen auf den Kopf stellen, durch die Gegend gurken, Menschen befragen und investigieren, um die Lösungen der Fälle zu finden. Natürlich können wir nicht unendlich viel auf einmal machen, sondern es gibt Beschränkungen pro Zug. Dabei kann man dann zum Beispiel Bewegungen vornehmen, an seinem Standort nach Hinweisen und Beweisen suchen, man kann Verdächtige durchsuchen und verhören …

Eine Person ist der Stichel, die anderen sind die Ermittler.

Alle Ermittler haben eine Ermittlungsakte, in denen die Fälle vorgestellt werden. Es gibt hin und wieder Sonderregeln, die dort aufgeführt werden und man erfährt über die Akten, welche Antworten man herausfinden muss, um den Fall zu lösen.

Es gibt auch die Möglichkeit, sich die Texte von JUSTUS JONAS vorlesen zu lassen. <3 Könnt ihr hier reinhören.

Hier verlinke ich euch auch noch die Regeln.

Stichel – ist das nicht eigentlich ein Feuersteingerät?

City of Angels kann in unterschiedlichen Spielmodi gespielt werden. Eine wichtige Rolle in beiden Mehrspieler-Modi spielt der Stichel.

Der Stichel weiß um den aktuellen Fall Bescheid und er interagiert mit den Ermittlern. Er hat ein Heft und zu jedem Fall gibt es  eine große Tabelle. Darin enthalten sind verschiedene „Themen“, die von den Ermittlern angesprochen werden können. Der Stichel hat dann die Möglichkeit, unterschiedliche Antworten zu geben und sucht sich diejenige aus der Liste aus, die seiner Meinung nach gerade am passendsten erscheint. Entweder, er blufft oder lügt sogar oder er gibt einigermaßen sinnvolle Antworten. Er hat immer die Möglichkeit, aus nützlichen Antworten oder Lügen und Irreführungen zu wählen und lenkt so den Informationsfluss aus den Befragungen in eine von ihm bestimmte Richtung. Ob das glaubhaft klappt oder nicht, das sei mal dahingestellt … 😉 Überzeugend wirken sollte man schon können, wenn man Blödsinn erzählt. Als Ermittler hat man aber auch die Möglichkeit, ein Druckmittel einzusetzen, das dafür sorgt, dass der Stichel auf jeden Fall die hilfreichste Antwort geben muss.

Diese Informationen bekommt – im kompetitiven Spiel – immer nur eine Person, nämlich die, die fragt. Der Stichel steckt nämlich eine Karte in einen Umschlag und oben, in einer Öffnung, ist seine Antwort zu sehen. Die anderen 3 Antworten sind im Umschlag versteckt und nicht lesbar. Andere Ermittler haben in so einem Fall noch die Möglichkeit, einen Spitzel zu bestechen, um die Antwort ebenfalls zu erfahren.

Ich persönlich sehe den Stichel quasi als Spielleiter*in, dessen Ziel es nicht unbedingt sein sollte, das Spiel zu gewinnen. Laut Regel ist es nämlich so, dass der Stichel gewinnt, wenn die Ermittler den Fall nicht aufklären können. Mehr Spaß macht es jedoch, wenn der Stichel leitet und das Spiel lenkt. Die Rolle des Stichels ist für´s Spielgefühl aus meiner Erfahrung extrem wichtig. Hast du einen guten Stichel, dann macht das Spiel direkt noch ein bisschen mehr Spaß, als sonst eh schon. Mit der passenden Playlist im Hintergrund schafft das Spiel, wenn alle Beteiligten sich drauf einlassen, eine total runde und tolle Atmosphäre.

With or without you

Die Ermittler spielen im klassischen Modus gegeneinander – es geht also darum, als erste Person auf die Lösung des Falls zu schließen und die nötigen Informationen zusammen zu klauben. Es gibt auch noch die Solo-Version, in der ein einzelner Ermittler versucht, den Fall zu lösen, ohne dass ein Stichel benötigt wird. Alternativ kann man auch als Ermittlerteam (oder einzelner Ermittler) kooperativ gegen den Stichel spielen. Da kann man sich also einfach den Modus raussuchen, der einem am besten gefällt. Mir hat die kompetitive Variante ganz gut gefallen, weil es mal was anderes war. Wenn wir sonst irgendwo Detektive spielen, machen wir das ja immer gemeinsam. Daher fand ich das ganz erfrischend, auch, wenn ich schon teilweise einfach in das Dunkle Loch der Unwissenheit abgebogen bin und mich da dann natürlich keiner rausgezogen hat. 😉 Aber auch kooperativ, das ist ja einfach inzwischen auch einfach bewährt, funktioniert das wirklich gut und macht Spaß. Ich find´s auf jeden Fall super, dass man sich hier das beste Kuchenstück für sich aussuchen darf.

Die Fälle werden anders und langsam immer komplexer – auch, wenn wir hier grundsätzlich keine Fälle in der Box haben, die einem das Gehirn wegsprengen. Man sollte schon aufpassen, sinnvoll handeln, sich Dinge merken und 1+1 korrekt zusammenzählen, damit man schlussendlich (hoffentlich) auf die richtige Lösung kommt. Ich hab auch schonmal so richtig reingesch*ssen, was dann aber immerhin für besondere Unterhaltung am Tisch gesorgt hat. „Ernsthaft Kaddy? Ernsthaft?“ Ja, ernsthaft. Und ich sag euch: In meiner Welt war das alles gar nicht sooooooo unwahrscheinlich. Aber in meiner Welt steht auch „Einhorn“ bei Lieblingstier und „Einhorndompteurin“ bei Traumjob. Vielleicht … ach, lassen wir das …

Für wen ist denn City of Angels was?

Auf jeden Fall schonmal für jene, welche keine Angst davor haben, so 60-70 EUR für ein Spiel auszugeben. Dann natürlich für diejenigen, die das Noir-Gefühl mögen und gerne Zeit in entsprechender Atmosphäre verbringen mögen. Vor allem sollte man aber Detektiv-Spiele mögen, denn falls nicht, ist das hier definitiv nicht das richtige Spiel. 😉 Vor allem ist es wahrscheinlich auch etwas für euch, wenn ihr mal ein bisschen Abwechslung sucht in all den Detektiv-Spielen.

Ein Dankeschön geht an dieser Stelle an Pegasus Spiele, die uns City of Angels für die Rezension zur Verfügung gestellt haben.

Lecker

  • Cooles Design, eine fette Boxe und eine Menge abwechslungsreiche Inhalte.

Pfui

  • Haste die richtige Ausfahrt verpasst ... haste die richtige Ausfahrt verpasst!

Fazit

Kaddy richtet ihren Hut.

  "Egal, ob in der Rolle des Stichels oder Ermittlers - ich finde, dass City of Angels wirklich Spaß macht! Der kompetitive Modus bringt frischen Wind in den Detektei-Alltag und wenn ich es doof finde, gegen andere zu spielen und mit ihnen einen Wettlauf um die Auflösung zu machen, dann kann ich einfach in den kooperativen Modus schalten und bin happy. Auch, wenn ich alleine spielen möchte, kann dieses Spiel hier mein Begleiter sein. (Wie ihr ja vermutlich inzwischen wisst, spiele ich allerdings nicht solo.). Mir haben die Fälle, die Überraschungen, die Irrungen und Wirrungen gut gefallen und ich freu mich immer noch über manch Situation, in der ich als Stichel mal mit ner Lüge durchgekommen bin ... muahaha! (Passierte nicht so oft ;-)) "
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