Zu den Sternen greifen
In Catch the Moon greifen wir zu den Sternen. Na ja, nicht wirklich, denn eigentlich stapeln und verkeilen wir Leitern in einander, um einen möglichst (in)stabilen Turm aus Sprossen zu bilden, der hoffentlich nicht ins Wanken gerät. Ein Geschicklichkeitsspiel, das im Laufe des Spiels immer mehr an Fahrt aufnimmt, da die Spannung mit jeder weiteren Leiter steigt – und die Höhe des Turms auch. Ich habe mir das fummlige Stapelspiel von Fabien Riffaud und Juan Rodriguez angeschaut, was hierzulande über Kosmos angeboten wird.
Stühle, Leitern und ne Wolke
Stapelspiele, die Material zum ineinanderverkeilen bieten, gibt es einige. So kennt man alte Geschicklichkeitsspiele, bei denen Stühle gestapelt werden, ein altes Leiterstapelspiel gibt es auch, bei Kamelia wird n Kamel bepackt und Affen, die ineinanderverkantet sind gibt es auch.
Bei Catch the Moon haben wir Holzleitern, die etwas krumm und schief sind, mit denen wir hoch zum Mond hinauf wollen. Als Basis dient eine Wolke, in der 2 Leitern stehen, die den Turmbau zum Mond beginnen. Reihum wird per Würfelwurf bestimmt, wie die Folgeleitern zu stapeln und zu berühren sind, um hoffentlich keine Regentropfen zu kassieren.
Zusammen und gegeneinander
Das Spiel kann man zusammen, also kooperativ, oder gegen einander spielen. Aber an sich ist das auch egal, denn tatsächlich nimmt das Spiel insofern an Fahrt auf, dass mit jeder weiteren Leiter auch die Spannung zunimmt, die hofft, dass der Leiterturm nicht zusammenbricht. Wie so oft bei Geschicklichkeitsspielen, bei denen man etwas stapelt, hofft man auch hier, einen riesigen Berg an Gegenständen zu bilden, die irrer und der Statik trotzend aussieht.
Darum ist auch Catch the Moon ein Spiel, der nicht wirklich das Gewinnen im Fokus hat. Hier steht Stapelfreude und Anspannung im Fokus, einen möglichst hohen und wilden Turm zu bauen. Hier spielt man des Spielenswillen, nicht um zu gewinnen. Es macht Spaß zu sehen, wie reißerischer und irrer der Turm wächst, und mit jeder weiteren Leiter denkt man sich: „Das Ding hält niemals!“
Genau das macht den Reiz solcher Spiele aus. Fängt man anfangs noch an nach „Regeln“ zu spielen, so ergibt sich oft im Spielverlauf: Komm, lass uns einfach weiterbauen, weil es so schön Spaß macht und weil man sehen und miterleben will, wie hoch dieses Konstrukt zu bauen geht.
Spiel und spielen
Ich habe es schon oft in meinen Texten geschrieben, dass Spiele, die zum zweckfreien Spielen einladen, mir immer das Herz aufgehen lassen. Catch the Moon ist so ein Vertreter. Zwar verfolgen wir den Zweck des immer höher und immer weiter bauens, aber nebenbei passiert auch eine Menge. Zum Beispiel, wie wir mit den Leitern umgehen. Ich habe in meinen Partien oft erlebt, dass Mitspielende die Leitern in den Händen haben, und unbedacht damit zu spielen anfangen. Finger wandern auf und ab, zwei Leitern werden an einander gelehnt und bilden „Kartenhäuser“, Verkeilungen und Verkantungen sorgen für ein verspieltes Netz aus Holzseiten, was irre und wild aussieht und das Stapelherz erfreut.
Catch the Moon ist ein Spiel zum spielen, und nicht in erster Linie ein Spiel zum Gewinnen und nach Regeln zu spielen. Es ist eine kleine Sammlung an Spielsachen, die zum Stapeln und Bilden einladen – ähnlich wie Klötzchen, nur wirrer.
Des Weiteren entstehen bei den Stapelaktionen abstrakte Kunstwerke, von denen Avantgardist*innen nur träumen können. Würde man von mir verlanden einen Spiel-Traum zu verfilmen, ich würde die Idee von Catch the Moon aufnehmen, denn dieses Stapelspiel ist eine Traumverarbeitung von abstrakter Verträumtheit. Ich weiß, der Satz ergibt jetzt wenig Sinn, aber egal. Es geht ja um Träume.
Leitern, die zum Himmel führen, sind oft Sinnbild für Sterben und Trauer. Dies verfolgt Catch the Moon aber nicht. Eher versucht man hier Unmögliches möglich zu machen, und das gelingt in manchen Partien wahrlich offensichtlich. Teilweise entstehen aus den Leiterkonstruktionen so wilde und unglaubliche Abstraktionen, die jeder Statik trotzen. Das lädt schon mal zum Staunen ein.
Weiter schult das Spiel die Geschicklichkeit. „Wie muss ich die Leiter anbringen, dass sie hält? Ach ja, so schon mal nicht. Okay, vielleicht anders herum?“
Diese Gedanken gehen einem schon mal durch den Kopf und manchen fällt es sehr leicht die Leitern in einander zu verkeilen, anderen können sich nur schwer vorstellen, wo der Schwerpunkt liegen muss, damit die gesamte Stapelkonstruktion nicht zusammenbricht.
Alles in allem ist Catch the Moon ein verspieltes Spiel, schön für´s Auge und für die Finger. Ein Hingucker, ein Träumer, ein Sinnbild. Ein schönes Spiel.