Und draußen tobt der Krieg…
This War of Mine ist ein Brettspiel, das aus dem bestehenden Computer bzw. Playstation Spiel entwickelt wurde. Es ist ein Anti-Kriegs-Spiel, obwohl der Krieg eine bedeutende Rolle spielt. Die Geschichte ist schnell erklärt: Gemeinsam steuern alle Spieler eine Gruppe von Charakteren, die mitten im Krieg steckt. Sie haben einen Unterschlupf, der zwar heruntergekommen ist, jedoch als Schutz und Unterkunft ausreicht. Die Charaktere sind allesamt Zivilisten, die weder besonders stark noch besonders mächtig sind. Denn es sind ganz normale Leute, die versuchen, im Krieg zu überleben. Sie haben ihre positiven Seiten und negativen Macken, die die Spieler im Verlauf des Spiels auch in die Verzweiflung treiben können.
Es gibt Spiele auf dem Markt, die nach dem Durchspielen und Wegpacken so ein richtiges geiles, ja fast schon euphorisch postiives Gefühl hinterlassen. This War of Mine ist aus meiner Sicht keines davon. Wieso? Das erzähl ich euch mal …
Das Ziel des Spiels: Überleben.
Draußen tobt der Krieg und die Charaktere durchleben in einer Partie mehrere Tage. Jeder Tag ist in unterschiedliche Phasen gegliedert, in denen verschiedene Handlungsmöglichkeiten bestehen.
Jeden Tag wartet eine neue Herausforderung auf die Gruppe. Eine Ereigniskarte verkündet die Ereignisse des aktuellen Tages. Vor allem kommt in dieser Phase auch Kälte ins Haus, die die Charaktere krank macht.
Am Morgen, wenn der Tag anbricht, sollte Wasser getrunken werden. Ist das nicht möglich, geht es den Charakteren schlechter, als es ihnen so oder so schon geht.
Danach können verschiedenste Aufgaben im Haus verrichtet werden – was auch nötig ist, denn überall liegt Schutt durch die Gefechte herum, es gibt verschlossene Türen und Kram, der nach wichtigen Ressourcen durchsucht werden kann. Löcher in den Wänden sollten mit Brettern verschlossen werden, die Wasserknappheit könnte durch eine zu bauende Regenwassersammelanlage beendet werden, ein Radio könnte gebaut werden, um die Nachrichten (Ereigniskarten der nächsten Runde) zu hören und auch eine Bett wäre nicht schlecht, da die Charaktere erschöpft sein werden von den Anstrengungen des Tages.
Zum Abend hin haben die Charaktere Hunger und sollten mit Nahrung versorgt werden, weil sie, wenn sie nachts zum Plündern einen ausliegenden Ort aufsuchen, gestärkt sein sollten. Allerdings muss nachts auch der Unterschlupf bewacht werden, weil ungebetene Besucher einfallen werden. Die Gruppe sollte also getrennt werden. Nur wer übernimmt welche Aufgabe? Ja, jeder hat seine Stärken, doch reichen sie aus, um die ganze Verantwortung zu übernehmen?
Wenn die Nacht rum ist, kommen die plündernden Charaktere zurück in den Unterschlupf und haben vielleicht Dinge dabei, die sie auf ihrem „Ausflug“ gehandelt oder gefunden haben. Das kann Wasser sein, vielleicht aber auch Kippen und Kaffee, vielleicht Nahrung, Schnaps oder Waffen. Vielleicht kommen sie aber auch mit leeren Händen zurück?
Oder vielleicht auch gar nicht …
Manche von ihnen werden vielleicht auch nicht wiederkehren, weil sie beim Plündern auf Feinde gestoßen sind, die stärker waren, als sie selbst.
This War of Mine in einigen Sätzen zu erklären fällt schwer, weil dieses Spiel sehr sehr umfangreich ist. Die Regel ist eingängig, weil es eine „Losspielanleitung“ in Form des Tagebuchs gibt, die alle Informationen beinhaltet, die es braucht, um spielen zu können. Jedoch gibt es auch noch das Skript. In dem Skript befinden sich knapp 2000 Nummern – der Großteil dieser Nummern ist einem Text zugeordnet, den ihr lesen müsst, wenn ihr dazu aufgefordert werdet. Hinter diesen Texten können sich atmosphärische Passagen verstecken, die euch ein Bild davon widerspiegeln, wie die aktuelle Lage eurer Charaktere ist, aber sie kann die Gruppe auch vor Entscheidungen stellen. Abhängig davon, welcher Weg eingeschlagen werden soll, wird dann auf eine weitere Skriptnummer verwiesen, bei der dann die Konsequenz der Entscheidung aufgedeckt wird. Dieses Vorgehen kennt ihr vielleicht noch aus den Spielbüchern, die es früher gab und auch heutzutage wieder publik werden.
Hinter anderen Ziffern verstecken sich Details zu den Regeln, die wir im Tagebuch gelernt haben, und es gibt sogar versteckte Expertenregeln, die das Spiel noch weiter ausschmücken. Sie sind zum Spielen nicht nötig, ergeben aber Sinn, wenn man schon einige Partien gespielt hat.
Da bei This War of Mine ein besonderer Faktor ist, dass man das Spiel erkunden kann und langsam aber sicher kennenlernt, werde ich hier auf keine „geheimen“ Details eingehen, auch, wenn ich das eigentlich gern würde, weil ich es absolut erwähnenswert finde. Aber Spoiler sind kacke. 😉
Spielgefühl
This War of Mine hat mich von Anfang an neugierig gemacht. Ich kenne einige „Endzeitszenariospiele“ und war gespannt darauf, wie das Thema „Menschen im Krieg“ hier umgesetzt sein würde. Das Computerspiel zu This War of Mine kannte ich jedoch nicht. (Das möchte ich jetzt auch noch ändern…) Schon beim ersten Spielen wurde mir schnell bewusst: „Okay, das ist krass.“ Ich bin ja Fan von Hintergrundmusik beim Spielen, weswegen die passende Playlist aus den Boxen erklang.
Nun stehen wir da, müssen uns um unsere Charaktere kümmern, damit sie nicht krank, verletzt, traurig, erschöpft oder hungrig werden. Ein bisschen ist ja okay, jedoch sinkt die Anzahl an Aktionen, die sie ausführen können, je stärker sie in einem dieser Status belastet werden. So kann ein Charakter, der ein bisschen traurig ist noch alle 3 im zustehenden Aktionen im Haus machen, ein sehr trauriger Charakter wird durch seinen Gemütszustand jedoch so eingeschränkt, dass er nichts mehr oder vielleicht nur eine oder 2 von seinen Aktionen durchführen kann. Das ganze ist problematisch, weil so viel zu tun ist, dass man schon bei der vollen Aktionsanzahl nicht hinterher kommt. Ein Beispiel gefällig?
Jeder Charakter hat im besten Fall 3 Aktionen am Tag, die er im Haus einsetzen kann. Um Kram zu finden, muss Schutt weggeschaufelt werden, was 2 Aktionen in Anspruch nimmt. Kram zu durchsuchen braucht auch eine Aktion. Wenn keine Schaufel im Haus ist, müssen 2 Charaktere je 2 Aktionen nutzen, um den Schutt zu beseitigen. Eine Konstruktion zu bauen, die Wasser, Nahrung, Wärme oder ähnliches bringt, kostet auch eine Aktion. Wenn sie dann steht, dann kostet es eine Aktion, das Gerät bzw. den Gegenstand zu nutzen. Um überhaupt etwas bauen zu können, werden verschiedene Materialien benötigt, die nicht unbedingt alle im Haus zu finden sind. Das heißt: Charaktere müssen plündern gehen (das kostet keine Aktion, sondern ist eine eigene Phase). Das erschöpft sie und sie können sich in dieser Nacht nicht ausruhen, um zu regenerieren. Verschlossene Türen im Haus können geöffnet werden, wenn ein Dietrich vorhanden ist. Ob die Tür jedoch aufgeht, bestimmt der Würfel. Falls die Tür verschlossen bleibt war die Aktion zum Fenster rausgeworfen. Geht sie jedoch auf, ist der Durchgang frei und gibt neues, zu erkundendes Terrain frei, in dem sicherlich wichtige Dinge gefunden werden können. Jedoch geht der Dietrich zu Bruch. Einen neuen wird man wohl draußen in der Stadt erhandeln müssen. Und dann kann es eben auch sein, dass Charaktere sterben, weil sie einen Angriff nicht überlebt haben oder so krank oder verletzt sind, dass sie nicht mehr überleben können. So wird die Gruppe der Charaktere ausgedünnt. Um neue Charaktere zu erhalten, muss man vors Haus gehen und Menschen treffen. Das ist allerdings sehr riskant, weil außerhalb des Hauses auch Scharfschützen postiert sind, die die Charaktere, die draußen stehen, verletzten können.
Ach ja, und es gibt immer wieder noch Aufgaben, die erfüllt werden müssen (vielleicht werden die Charaktere bedroht und müssen Wasser an Banden liefern). Sollten solche Dinge nicht erfüllt werden, warten Sanktionen, die man lieber umgehen möchte. Und vor allem Wasser und Nahrung ist ein sehr, sehr seltenes Gut in diesem Spiel. Umso ärgerlicher ist es, wenn nachts Einbrüche stattfinden und die Einbrecher es auf Nahrungsmittel abgesehen haben. So kann es durchaus auch mal vorkommen, dass die Charaktere Hunger und Durst leiden müssen, was sie weiter in ihren Handlungen einschränkt.
Ui …
Und das sind nur einige der vielzähligen Dinge, die bei This War of Mine gemacht werden müssen bzw. passieren können. Und keine Partie ist wie die andere. Dadurch, dass beim Plündern zum Beispiel immer unterschiedliche Orte ausliegen, passieren nachts auch unterschiedliche Dinge – immer abhängig von den eigenen Entscheidungen.
Wenn man durch das Skript gelotst wird, weil man dazu aufgefordert wird, eine Entscheidung zu treffen, kommt es nicht selten vor, dass einzelne Sätze, die vorgelesen werden, zu bedrücktem Schweigen am Spieltisch führen. Sollte es sogar einmal nötig sein, den Epilog eines Charakters vorzulesen, weil er verstorben ist, dauert die Stille auch mal länger an. Gänsehaut.
Kein richtiges Brettspiel?
Man findet in den Unterlagen den Hinweis, dass vor allem das Spielgefühl bei This War of Mine das Ausschlaggebende ist. Als finales Ziel steht immer ganz oben, dass am Ende von 3 Kapiteln, die man durchspielt, einer der drei Startcharaktere noch leben muss. Aber selbst, wenn man dieses Ziel nicht mehr erfüllen kann, weil alle drei Charaktere vom Anfang gestorben sind, kann This War of Mine weitergespielt werden – nur aus dem Grund, die Geschichte auch noch weiter zu erleben. Sollte man einmal in eine Situation kommen, in der es keine Regel zu geben scheint, die greifen könnte, soll man so entscheiden, wie es einem am logischsten vorkommt.
This War of Mine ist für mich eine Mischung aus kooperativem Brett- und Rollenspiel. Gerade dann, wenn man sich auf die Stimmung des Spiels wirklich einlässt, wird man eine besondere Erfahrung machen, die sicherlich nicht damit gekrönt wird, dass die Partyhüte rausgeholt werden. Auch, wenn man es schaffen sollte, die Charaktere am Leben zu halten, so glaube ich, bringt das Spiel im Verlauf so viele emotionale Momente mit, dass die Partyhütchen auch bei einem Spielsieg lieber in der Schublade bleiben.
Die Frage ist: Wie würde ich mich verhalten?
Uns haben sich einige Fragen gestellt durch das, was im Spiel passiert ist. Wie würden wir uns verhalten, wenn es 3 Personen, aber nur Nahrung für eine Person gibt? Würden wir selbst dafür sorgen, dass wir sie essen können, auch, wenn wir nicht so hungrig wären, wie andere aus unserer Gruppe? Würden wir jemanden, der in vielen Attributen schon negativ ausgestattet ist, weil er erschöpft, hungrig, krank und traurig ist, wieder aufpäppeln oder macht es Sinn, diesen Charakter sich selbst zu überlassen? Ich kann so viel verraten, dass wir keinen Mann zurückgelassen haben und versucht haben, alle wieder auf den besten Stand zu bringen. Das war nicht einfach und auch auf das Spielziel bezogen vielleicht nicht sinnvoll, weil alle anderen dadurch darunter gelitten haben.
Das ganze klingt jetzt vielleicht recht düster – das ist es auch! Aber es ist alles andere als negativ gemeint. This War of Mine bietet ein Spielerlebnis der besonderen Art, wenn man in der Lage ist und daran interessiert ist, sich auf das Geschehen und das Gefühl einzulassen. Wenn man bereit ist, ein Spiel über mehrere Stunden zu spielen, ohne zu lachen. Nicht, weil es keinen Spaß macht, im Gegenteil – This War of Mine ist eines der Spiele der letzten Jahres, das mich am meisten begeistert hat. Sondern einfach, weil die Thematik und das, was wir mit unseren Charakteren erleben, nicht zum Lachen einlädt. Sie sind im Krieg – und das wird auf jede erdenkliche Art und Weise klar, wenn man sich, im wahrsten Sinne des Wortes, durch This War of Mine kämpft.
Das war jetzt eine Menge zu lesen und ich habe noch nicht all das erzählt, was ich gern berichten würde. Da ich aber niemandem von euch zumuten möchte, über 2.000 Worte zu lesen, um zu erfahren, was dieses Spiel besonders macht, denke ich, es reicht an dieser Stelle.
Danke an Asmodee, die uns diese Erfahrungen mit This War of Mine durch ein Rezensionsexemplar ermöglicht haben.
Solltet ihr Fragen zu dem Spiel haben, dann fragt gern nach. Für mich ist This War of Mine definitiv ein Spiel, das nach ganz vorn ins Regal kommt, auch, wenn es Zeit braucht, eine Partie zu spielen. Je länger man dran sitzt, desto verbundener wird man mit den kleinen Plastikfiguren, die man übers Spielfeld jagt. Klingt komisch, ist aber so. Und ich drohe wieder abzuschweifen. Daher jetzt das Fazit.