Hätte, hätte, Fahrradkette
Es hätte so schön sein können. Hätte. Dort, in den Untiefen des Ozeans, in diesem verwinkelten U-Boot. Dort, in der U-Bahn, die nach dem Auftauchen aus dem Untergrund in einer anderen Welt erschienen ist. Dort, im Dschungel der gefräßigen Pflanzen, wo vier Forschende sich gegen hungriges Grünzeug wehren müssen. Ja, Untold hätte etwas ganz großes werden können, wenn, ja wenn nicht dieses Spiel so behäbig wäre, so konstruiert, so schwerfällig. Ich schaue heute auf Untold – Das Abenteuer wartet aus dem Hause Hub Games, was hierzulande durch Asmodee vertrieben wird. Untold stammt von John Fiore und Rory O’Connor, und ist das „Brettspiel“ zu den Story Cubes.
Phantastische Welten
Phantasie ist schon was tolles. Vor unseren Augen, Ohren und weiterer Wahrnehmung können wir uns Welten erschaffen, die unglaublicher nicht sein könnten. Sie trägt uns ins weite All, in Universen, auf Planeten und in die fernste Galaxis mit all seinen Abnormen und unvorstellbaren Besonderheiten. Sie bringt uns aber auch zur Welt zurück, lässt die eigene Stadt anders dastehen, die eigene Wohnung zu einem Palast werden, und den Alltag in Abenteuer verwandeln. Ja sie führt uns sogar noch tiefer, in die unvorstellbaren Bereiche des eigenen Körpers, in die Städte der eigenen Atome und noch viel weiter.
Geschichten und Abenteuer können wir uns erdenken, vorstellen, sie phantasieren. Und in diesen Abenteuern sind wir die Erzählenden, die Mächtigen, die Stripenzieher. Das ist schon ein tolles und mächtiges Gefühl. Zu wissen, was man alles machen kann. Könnte.
Rory’s Story Cubes sind seit langer Zeit ein perfektes Mittel die eigene Phantasie und das kreative Erzählen anzuregen. In Untold – Das Abenteuer wartet wurde nun versucht die Story Cubes in ein Brettspielformat zu bringen, bei dem das kooperative Erzählen durch bestimmte Ereignisse und Aktionen seitens des Spiels beeinflusst wird. In der Theorie liest sich diese Vorgehensweise sehr gut, jedoch zeigt sich im Spiel, dass diese Idee nicht ganz aufgeht.
Bevor ich mehr zu meinen Einschätzungen schreibe, ist mir wichtig mitzuteilen, dass ich Untold unbedingt mögen MÖCHTE. Ich habe dem Spiel jetzt so oft schon Chancen gegeben, und merke bei jedem Spiel, dass ich von den Regeln abweiche und improvisiere, um dem Spielspaß nicht Bremsen entgegensetzen zu müssen. Bremsen, Hürden, Stolpersteine. Darum: Meine Erlebnisse mit dem Spiel spiegeln nicht die 1 zu 1 Handhabe des Spiels wieder, wie die Regeln es vorlegen.
Da aber Untold eh als offenes „Spielerezept“ gelesen und gespielt werden kann, ist dies wohl auch nicht so schlimm. Dennoch war es mir wichtig dies vorneweg zu schreiben.
Kurz zusammengefasst
Damit eine Vorstellung möglich ist, möchte ich Untold kurz zusammenfassen. Im Grunde wollen 1-4 Menschen (es geht auch mit mehreren Menschen, kommt auf die Gruppe an) eine schöne Geschichte erzählen und erleben. Eine Episode einer Serie. So eine Episode geht über 5 Akte. In jedem Akt passiert einiges oder auch mehr. Damit klar wird, was in dieser Episode, in den Akten, passiert, werden Story Cubs geworfen. 6seiter mit Icons drauf, die in die Geschichte eingebaut werden.
In jedem Akt und im Laufe der Geschichte werden bestimmte Settings vom Spiel gesteuert, Fragen gestellt und beantwortet durch die Mitspielenden und Aktionen mit evtl. Ausgängen und Erlebnissen durchgeführt. Soviel schon mal vorneweg: Die Settings durch das Spiel sind so lala und passen manchmal nicht in die eigene (gewöhnte) Erzählweise, die Fragerunden sind spannend aber manchmal auch nervig, am geilsten sind die Aktionen, die durchgeführt werden, von deren Ausgang man nicht vorher Bescheid weiß. Soviel schon mal vorneweg.
Untold wird so über Runde für Runde weitergespielt, bis eine Geschichte erzählt wurde. Richtig verlieren kann man bei dem Spiel nicht, denn irgendwie wird die Geschichte erzählt, selbst wenn sie zum Ende hin hier und da in ein Korsett gepresst wird.
Während solch einer Geschichte, ist die Spannung der Mitspielenden hoch, teilweise euphorisch, zum Ende in den meisten Fällen unbefriedigend. Leider zeigen das fast all unsere Erzählungen.
Aber was gibt es denn jetzt zu „meckern“ bei Untold?
Mord und Totschlag und immer diese Action
Wie gesagt, ich will gar nicht meckern. Ich will Untold echt mögen, und dennoch gibt es im Spielverlauft oft Situationen, die das Erzählen hemmen, stocken lassen, irgendwie behäbig machen. Allen voran sind es die Szenenkarten mit ihren Symbolen. Sie bestimmen das Setting der Geschichte. Und bei denen wird fast immer eine Bedrohung ausgesprochen, beschuldigt, attackiert, gefangen genommen, böse Meister treten auf, schlimm, schlimmer und am schlimmsten. Untold ist ein Spiel der bösen und schlimmen Entwicklungen. Auch wenn man versucht ein lustiges oder gar romantisches Geschichtchen zu erzählen, so hauen diese Szenenkarten eine Story immer wieder raus. Leider sind die Abenteuer von Untold getrübt von Gemeinheit, Betrug, Angst, Gefahr und Action. Klar, das Spiel heißt auch Untold – Das Abenteuer wartet, aber auch eine romantische Geschichte, oder gar ein Drama kann ein Abenteuer sein. Das hat uns nach mehreren Partien nicht gefallen, dass das Spiel dermaßen Einfluss auf die Erzählrichtung nimmt. Schade.
Sollte man allerdings Bock auf diese Art von Erzählung haben, und die hat man bei den ersten zwei drei Partien, dann geht das gut auf. Langfristig ist diese Richtung aber eher zu einseitig.
Des Weiteren zeigten sich in unseren Partien die Spielertableaus als nutzlos. Von den Markern kamen fast nur die Änderungsmarker zum Einsatz. Ideenmarker und Flashback-Marker lesen sich in der Theorie gut, aber in der Praxis waren sie fast nicht gebraucht worden. Auch die Play Pause Karte ist eine super Idee hinsichtlich von Gesprächsführung und kollegialer Beratung (Stopp-Karte), aber auch hier ist der Einsatz eher marginal bis fast gar nicht spürbar.
Letztlich will ich noch die beiden Blöcke anmerken, die im Spiel enthalten sind. Sie geben zwar eine schöne Möglichkeit eine Struktur in die Episode und in den eigenen Charakter zu bringen, aber ganz ehrlich, so richtig von Nöten sind diese nun auch nicht. Ein Blatt Papier und ein Stift tun es auch. Nice to have, aber so richtig gebraucht wurden sie nicht. Vor allem nicht um ganze Serien mit unterschiedlichen Episoden zu füllen. Das hat bei uns gar nicht richtig auf Interesse gestoßen. Vielmehr wollten wir einzelne Geschichten erzählen, und nicht in Serie gehen.
Richtig toll dagegen sind die Aktionsplättchen, die wir richtig feiern. Auch wenn die Regeln es voraussehen, dass nicht alle Aktionsmarker zum Einsatz kommen, so fanden wir diese grandios beim Erzählen. Zusammen mit den Ergebnis- und Reaktionskarten war das spielerische Erzählerleben ein Fest. Hier zeigt Untold echt seine Stärke. Diese Marker und Karten feiern wir sehr.
Fazit
Okay, ich habe jetzt eine Menge gemeckert und nur wenig Gutes geschrieben. Und dennoch, ich wiederhole mich gerne: Ich MÖCHTE Untold mögen. Ich habe so schöne Geschichten mit dem Spiel erlebt, was aber nicht des Spieles wegen war, sondern an den Mitspielenden und deren Bereitschaft zur Erzählung lag. Untold ist eine Kiste voller Zutaten, aus denen die Mitspielenden ein leckeres Spielerezept kochen können. Allerdings liegt dies auch in der Verwendung der Mitspielenden. Das Spiel hat von sich aus und mit seinen Regeln dies nicht zutage gebracht. Darum sehe ich Untold als offenes Spielekonzept der Möglichkeiten. Wer sich an Spielregeln festhalten (muss) will, wird mit Untold keinen Spaß haben. Wer frei sein will in seiner Handhabe mit diesem Spiel, kann zauberhafte Geschichten erleben.