Nimmersatt
Spiele, die sich mit dem Thema Essen befassen, hat die Spielfritte immer besonders gerne. Und auch sonst ist essen, Essen und Essen ein großes Thema in der Spielewelt. Darum wollen wir uns heute mit dem Card-Drafting-Kartenspiel Sushi Go Party! aus dem Hause Zoch widmen. In diesem Spiel von Phil Walker-Harding schieben wir uns die fernasiatischen Knabbereien zu, legen sie aus, und beißen auch hier und da mal in die Kartentischkante, denn nicht immer bekommen wir die Karten, die wir gerne hätten.
Essen, essen, Essen
Ja, das liebe Essen. Essen ist ein wichtiges und schwergewichtiges Thema in der Spielewelt. Nicht nur, dass Essen, also Nahrung im Spiel für so manche Thematiken sorgt, nein, auch am Spieletisch wird ganz gerne mal die Patschehand in die
Chipsschale oder an die Gummibärchen gelangt. Und mehr noch: Die weltgrößte Messe zum Thema Brett-, Karten- und Würfelspiele findet in Essen statt. Zufall? Der Verschwörungstheoretiker in mir sagt: Keineswegs! Wir unterliegen allen einem heimlichen Plan, hinter dem die Gesundheits- und auch Pharmaindustrie steckt. Wir sind Marionetten, die mit einer verspielten Ware geleitet und zugleich betäubt werden. Spiele als Morphium. Spiel als Scheinwelt. Der Filmwissenschaftler in mir sagt: Spiel als Diegese. Wir werden in attraktiver Art und Weise eingeladen dieser Welt zu entfliehen, um in einer Scheinwelt einzutauchen. Das „analoge Dazwischen“ könnte man sagen. Essen und die Einverleibung ist hier wahrlich ein schmackhafter Schlüssel zur Betäubung.
Spiel-Kultur als Einverleibung zur Sinnesbetäubung und als Umweg (vielleicht auch Ausweg) aus den Leiden des Alltags. Fressen und gefressen werden, oder auch spielen, gewinnen, verlieren. Ich höre hier Habermas klopfen. Wir könnten hochintellektuelle und philosophische Bücher zu diesem Thema schreiben, denn nicht zufällig nennt sich Spielfritte Spielfritte. Aber das wollen wir an dieser Stelle nicht, denn schließlich wollt ihr etwas über dieses „Party-Spiel“ erfahren, gell?
Also lassen wir das tiefgreifende Verschwörungsgeschwafel. Kommen wir mal lieber zur Sushi Go Party!.
Sushi-Karten gehen um die Welt
Seit 2013 wandern die Karten mit den Gesichter verzierten Sushi-Leckereien um die Welt. Phil Walker-Harding hat mit seinem Card-Drafting-Spiel schon einige Preise eingeheimst. Und mit Sushi Go Party! bekommt das kleine Kartenspiel nun einen fetten Vertreter an die Reis-Seite gestellt. Waren die Sushi-Spielkarten in Sushi Go übersichtlich und handlich, so haben wir es hier in Sushi Go Party! mit einer fetten Packung zu tun, die neben einem Spielbrett, süßen kleinen Sojasaucenflaschen, die als Spielfiguren fungieren, mit über 200 Spielkarten voll ist. Wow! Hier kann man sich am Fließband ordentlich satt fressen und abwechslungsreich Sushi-Gerichte zusammenstellen.
Schaut man genauer hin, wird einem klar: Auf das Spielbrett hätten wir auch verzichten können. Und ganz ehrlich: Die Sojasaucenflaschen sind ganz süß, aber wenn 8 Flaschen auf der Zählleiste umherwandern, ist die Punkteanzeige mehr als dürftig. Generell: Die Punkteanzeige auf dem Spielbrett ist echt was für die Tonne. Zwar erinnert sie optisch schön an ein Laufband, auf dem die japanischen Leckereien wandern, aber warum werden die Felder immer und immer kleiner? Für die Flaschen und zum Zählen ist das echt ein Manko. Das hat uns echt nicht gefallen.
Der Fehler auf der Zählleiste ist in unserer Version bereits abgeklebt. Schaut mal auf euer Spielbrett, ob bei euch die „75 bis 80“ abgeklebt ist?
Doch lassen wir mal Gemecker, kommen wir mal lieber zum Spiel. Kann das was?
Karten am laufenden Band
Das Thema Sushi ist in Sushi Go (und Party!) wunderbar gewählt. Wie an einem Fließband geben wir die Karten im Uhrzeigersinn weiter, wählen aus, geben weiter, wählen aus, geben weiter … Wir bedienen uns an der Auslage, fressen, geben weiter. So lange, bis alles weggeputzt ist. Nach drei Runden wäre uns im wahren Leben richtig schlecht, und der Rülps würde nach würzigem Fisch riechen. Nicht aber in Sushi Go Party!, denn die drei Runden vergehen sehr schnell. Eine Partie Sushi Go Party!, die man mit 2 bis 8 Menschen spielen kann, dauert nur ca. 25 Minuten. Das geht fix.
Unser Ziel ist es ein wunderbares Menü vor sich auszulegen. Dabei bedient man sich an der Auswahl, die so rumkommt. Nigiri, Maki, Gyoza, Wasabi, Onigiri, Miso-Suppe oder auch Tempura. Ob wir mit Stäbchen essen, n Löffel nutzen, ob wir uns mit Reiswein vollkippen oder uns auf Pudding oder Grünteeeis freuen. In Sushi Go Party! lernen wir viel von der japanischen Küche. Am Ende stehen die Punkte, und, wie (fast) immer: Wer die meisten Punkte besitzt, ist der Sushi-Oberknaller und kann sich feiern lassen.
Drafting, also Karten weitergeben, auswählen, weitergeben, etc. ist ein bekannter Mechanismus im Spiel. Sushi Go (Party!) ist ein Rundumvertreter dieses Vorgehens. Dabei hilft es auch die Karten im Überblick zu haben, und darauf zu hoffen, dass die vermeintliche Karte, die man gerne noch seiner Sammlung beifügen möchte, eine Runde schafft, so dass man sie ausspielen kann, wenn die Kartenhand wieder bei einem angelangt ist. In einem Spiel mit bis zu 8 Menschen ist das unwahrscheinlich.
Das macht Sushi Go Party! unplanbar. Vielmehr schaut man nach links und nach überlinks, um zu schauen, was man selber auslegen sollte, nur um die Auswahl der Folgespieler nicht zu erweitern. Die eigene Auslage optimieren und dabei die Folgemitspieler schwächen. Das ist schwer, zumal man immer nur eine Karte ausspielen kann (außer man besitzt Stäbchen).
Sushi Go Party! ist ein Spiel, was in kleineren Runden etwas planbarer ist, als in größeren Runden. Spielt man zu zweit, dritt, viert ist eine Planung noch vermeintlich möglich. Ab fünf hofft man auf gute Karten vom rechten Nachbarn, und schaut, was man mit diesen Karten so machen kann.
Wie schmeckt denn die Party?
Nun, bei uns kam Sushi Go Party! unterschiedlich an. In manchen Gruppen kam das Spiel recht gut an. Ein netter Zeitvertreib, ein nettes Kartenweiterschieben, und die vielzählige Möglichkeit die Menükarten zusammen zu stellen, hat für Freude gesorgt. In unseren 8er-Runden war das Spiel eher ein Glücksspiel, hat aber trotzdem Spaß gemacht.
Andere Runden konnten mit dem Spiel nicht ganz so viel anfangen. Denen war die Optik ein Dorn, oder besser ein Reiskorn im Auge: „Die Punktefelder auf dem Spielbrett sind zu klein, die Karten erkennt man gar nicht, ich kann gar nicht planen, bla bla bla …“ So waren einige Anmerkungen. Tja, für die ist diese Party einfach nix gewesen.
Im Großen und Ganzen konnten wir einen Mittelwert des Spiels in unseren Spielgruppen feststellen. Sushi Go Party! trifft die Herzen von Card-Drafting-Spielern – kein Wunder, was anderes ist es ja nicht. Und es begeistert ob der Vielfalt der Kartenzusammensetzung. Hier ist wirklich kein Spiel, wie das vorige Spiel.
Und zugleich hat es manch Spielende gelangweilt: „Immer das Gleiche, unplanbar, langweilig! Nöl-Nöl-Nöl…“ Tja, die konnten mit „die eigenen Karten weitergeben“ nichts anfangen.
Funfairist rollt die unterschiedlichen Geschmäcker zusammen
Ich vergebe dem Spiel eine schwache Knusperfritte. An sich ist Sushi Go Party! ein tolles Card-Drafting-Spiel, nur kann ich mich mit dem Thema einfach nicht anfreunden. Ich hasse Sushi, ich hasse Fisch, ich mag noch nicht mal mit dem Thema was zu tun haben. Das mag einseitig klingen, ist mir aber egal, denn das ist ja schließlich meine Rezension. Vielleicht lasse ich mich auch von den Geschmäckern meiner letzten Runden beeinflussen, die mit dem Spiel nicht so viel anfangen konnten. So erfreut es mich, dass ich bei manch meinen Mitspielern in anderen Runden wahrlich Sterne in den Augen funkeln sah. Denen hat das Spiel total gefallen. Ich sage mal so: Wenn ihr n Card-Drafting-Spiel mit echt vielen vielen Möglichkeiten der Veränderung von Kartendecks haben wollt, so ist Sushi Go Party! genau das Richtige für euch. Alle, die mal „klein“ anfangen wollen, holt euch Sushi Go (ebenfalls bei Zoch erschienen), das reicht vollkommen aus. Für Sushi Go Fans: Pflichtkauf! Alle anderen: Schaut euch nach einem anderen Spiel um.
Herzlichen Dank an Zoch, die uns dieses Spiel für eine Rezension zur Verfügung gestellt haben.