Ich „gehe“ durch die Geschichte
Was steht eher im Mittelpunkt? Der Mechanismus oder die Geschichte? Daran mögen sich die Geister scheiden. Während manch Spiel vor Geschichte überfrachtet ist, kommt ein ganz Anderes vor lauter runtergebrochener Thematik als pure Mechanik rüber. Weiter gibt es Spiele, die treten immer auf der selben Stelle herum, und wieder andere sind jede Runde immer eine Wiederholung, eine Wiederholung, eine Wiederholung. Und dann gibt es noch Spiele, die wollen weiterkommen, eine Geschichte erzählen und voranschreiten. Wie zum Beispiel Woodlands. Hier haben wir es mit 4 Geschichten zu tun, die durchgespielt werden möchten. Eigentlich ist Woodlands ein solitär Knobelspiel, was zu einer 2 – 4 Geschwindigkeitschallengevariante aufgepustet wurde. Kommt mit uns in den finsteren Wald von Woodlands, dem Ravensburger-Spiel von Daniel Fehr.
Die Geschichte durchschaut
Es war einmal ein großer Wald, in dem lebte ein Mädchen mit rotem Hut. Man nannte sie Rotkäppchen. Eines Tages, als sie ihren Onkel König Artus besuchen wollte, begab sie sich zur Tür, um in den Wald zu gehen. Die Oma warnte noch, dass sie nicht den Weg verlassen sollte, auch nicht, um irgendwelche Pilze oder Klunker einzusammeln, denn im finsteren Gebüsch lauert gar schreckliches Unheil.
Das Rotkäppchen dachte sich, dass die Oma bestimmt den ollen Wolf meinte, und winkte ab: „Ach lass mal Oma, der Wolf und ich sind so“, dabei überkreuzte sie Zeige- und Mittelfinger, „der tut mir nichts – wir sitzen in Reli nebeneinander und mögen uns voll.“
Doch die Oma war weiterhin besorgt. Nicht den Wolf meinte sie. Aber noch bevor sie etwas weiteres sagen konnte, hopste das rote Käppchen mit Weidenkorb am Arm aus der Tür und verschwand im Dickicht.
Das rote Käppchen bummelte durch den Forst und fand allerhand Pilze am Wegesrand, diverse bunte Edelsteine, Schlüssel und Schatztruhen. An einer Biegung im Wald machte es kurz Stopp, denn ein Rascheln hat sie aufgeschreckt. „Bist Du das Wolfgang? Komm raus, Du Bursche, ich hab keine Angst.“ Von wegen, die kleinen Beinchen klapperten vor Angst, weil die Kniescheiben an einander stießen.
Auf einmal machte es „Wapusch“ und aus der Buchsbaumhecke kam ein Mann in grüner Uniform herausgeschossen, der einen Bogen spannte, und direkt auf die Stirn des kleinen Mädchens zielte. „Korb her, Du kleine Rotkappe, sonst zwiebel ich Dir meinen Pfeil ins Gehirn.“ Das Rotkäppchen erschrak sich so dolle, dass es den Weidenkorb fallen ließ, sich auf den Hacken umdrehte und schreiend mit den Armen in der Luft wedelnd weglief.
„Cool“, dachte sich Robin Hood, der es war, der auf die Kleine zielte, „ein ganzer Korb mit Schnuckersachen, und das Portemonnaie samt EC-Karte und Geheimnummer ist auch drin. Ja sauber, dann kann ich mir ja heute mit Bruder Tuck die Rübe mit Schnaps zubimsen.“
Und als der grünbemantelte Robin nicht auf den Weg achtend, sondern die Nase im Geldbeutel vertieft, des Weges weiterschlich, sah er nicht den schrecklich langen Schatten aus dem Gebüsch kommen, der sich auf ihn stürzte. Graf Dracula war es, der seine Haut doppelt mit Sonnencreme eingeschmiert hatte, der aus dem Gebüsch gesprungen war. Er hatte vergessen für das Abendessen mit seinen Vampirfreunden Veggieblut zu zapfen; da kam ihm der Robin gerade recht. Und noch bevor der Herr Hood sein Bogen spannen konnte, rammte der Graf seine Abmelkzähne in Robins Oberschenkel, und saugte diesen bis auf den letzten Tropfen aus.
Tja, so kann das gehen, im Zauberwald an der B9. Und die Moral von der Geschicht: Wenn Du gehst, dann gehe auch nur, und stecke die Nase nicht in irgendwelche Accessoires (das könnte auch ein Handy sein, oder n YPS-Heft), denn sonst passiert Dir was.
Ein fabelhaftes Legespiel
Okay, kommen wir mal zurück zum Spiel. Was hat denn das oben geschriebene mit dem Spiel zu tun. Du würdest meinen: Gar nichts? Denkste! Nämlich sehr viel. Woodlands ist ein, wie es sich selbst untertitelt, fabelhaftes Legespiel. Ich würde das, auch wenn es genau das trifft, etwas ergänzen wollen, es ist ein Knobelspiel, ein Rätsel, das eingebettet in einer Geschichte Wege zum Ziel finden will.
In Woodlands haben wir 4 Geschichten, die wir durchspielen können: Rotkäppchen, Robin Hood, die Artus Saga und Dracula. In der Spielbeschreibung wird die Geschichte Kapitel für Kapitel vorgelesen. Was in den Kapiteln geschieht, legen wir aus. Wir haben nämlich Spielertafeln und Wegekärtchen. Das jeweilige Kapitel wird als Folie in die Mitte gelegt. Unsere Aufgabe ist es: Die Folie in der Mitte und unsere Wegekarten so im Geiste übereinander zu legen, dass der Weg auf den Plättchen in einem 3 x 3 Muster sinnvoll zu unserer Aufgabe in der Mitte ist. Das machen alle Spielenden gleichzeitig und alle versuchen sich an der gestellten Aufgabe.
Stress, räumliches Denkvermögen, aber auch etwas Taktik und Planung sind hier gegeben und gefragt. Unter Zeitdruck einen den Aufgaben entsprechenden Weg auslegen. Das ist schon recht stressig.
Eine Geschichte „erlegen“
Woodlands ist ein echt tolles Spiel und hat mich von der ersten Minute aus begeistert. Hier schon mal der Ruf nach Ravensburger: Bitte bringt noch weitere Geschichten heraus, ich kann von Woodlands nicht genug bekommen.
Woodlands ist eigentlich ein Rätselspiel, was gut als Solitärspiel bei Think Fun oder Smart Games herauskommen könnte. Räumliches Denkvermögen und Plättchen so auslegen, dass die Wege einen Sinn ergeben. Woodlands ist jedoch zu einer Challenge für 2 – 4 Spielende aufgeblasen. Hier tretet man also im Knobelspaß gegen andere an. Auch kann man durch bestimmte Schätze auf andere einwirken, ihnen die Auslage schwerer machen, und führende Spieler müssen den Kelch des Ruhms einsammeln, etc. In Woodlands bauen sich peu a peu die Spielelement in Spiel und von mal zu mal wird es herausfordernder und komplexer. Zeigt sich Rotkäppchen noch als leichtes Märchen, geht es in der Artus Sage und bei Dracula schon recht knackig zu.
Hierbei gefällt mir außerordentlich, dass die jeweilige Geschichte immer auch eine Rahmenhandlung hat und dass man in den Leveln eine komplette Geschichte erlebt/erlegt. Das finde ich großartig.
Woodlands ist ein echt tolles und super zugängliches Spiel für Menschen, die Lust auf Knobeln, Plättchen legen und Zeitdruck haben. Man sollte Woodlands nicht mit Kindern vs. Erwachsenen spielen – hier können Tränen fließen, weil die Kleinen nicht ganz so gut mitkommen.
Aber ansonsten ist Woodlands ein wunderbares Spiel, das nach Erweiterungen schreit. Also Ravensburger: Bitte mehr davon!!!