Damals …
Es war einmal … Ja, so fängt manch bekanntes Märchen an. Und wie in so vielen Märchen, so haben wir es auch in Fairy Tile, dem märchenhaften Lege- und Aufgabenspiel von Matthew Dunstan und Brett J. Gilbert, mit Sterotypen der Märchen, Sagen und Legenden zu tun. Es ist die Prinzessin, der Prinz und der Drache, die im Land, dort drüben, über den sieben Bergen, irgendwas erleben. Was wir jedoch bei Fairy Tile erleben, nun, das ist die Aufgabe der Spielenden. Schaut mit uns auf das Spiel Fairy Tile aus dem Hause iello, was hier in Deutschland über Hutter Trade vermarket wird.
Ich möchte Dir eine Geschichte erzählen
Es begab sich einst zu einer Zeit, da ritt ein mutiger Ritter sein Ross durch den großen Wald. Über umgekippte Bäume hopsten sie, ritten durch Dornenbusch und Gehölz, und manch Gewässer mussten sie ebenfalls durchqueren. Warum? Selbstverständlich dem silbernen Streifen am Horizont folgen.
Am anderen Ende der weit weit entfernten Märchenwelt schaute eine Prinzessin von ihren Burgzinnen gen untergehender Sonne. Hatte sie da nicht gerade eben einen funkelnden Blitz erkennen können? Ob das die scharfe Klinge ihres ihr unbekannten Prinzen war? Oder waren es gar die heißen Flammen des Drachen, der im Gebirge sein Unwesen trieb. Der Prinzessin fröstelte es und sie rieb sich die Arme, um sich selbst zu streicheln.
„Grrrrrr“ machte der Drache und spuckte Feuer über seine Goldmünzen. Grauweißer Qualm schäumte aus seinen Nüstern und die Augen verengten sich. „Die Prinzessin schnappen und sie für immer bei sich halten, au ja, das wäre was Feines. Oder sollte ich dem Prinzen zeigen, wer im fernen fernen Märchenland das Sagen hatte? Grrrrrr….“ machte er wieder, und der Drache breitete seine Flügel aus und schwungvoll trieb es ihn in die Lüfte.
Ja, so könnte ein Märchen beginnen, ja so könnten gleich 3 Märchen beginnen. Und damit herzlich Willkommen in der sagenumwogenden Märchenwelt von Fairy Tile.
Sehr gerne berichte ich euch über dieses kurzweilige und überaus hübsch gestaltete Spiel aus dem Hause iello. Und wenn ihr mehr über Märchen wissen möchtet, und was sie WIRKLICH aussagen, so scrollt weiter runter, denn gegen Ende werde ich euch die schonungslose Wahrheit über Märchen und Sagen verraten. Doch zuvor gibt´s einen Blick ins Spiel.
Fairy Tile öffne Dich
Ich sage nur: iello! Wer ein Spiel von iello kauft, kauft meistens nicht nur ein tolles Spiel, sondern auch zugleich ein Schönes dazu. Mehr noch, seit einiger Zeit setzt iello ebenfalls auf Haptik. Und genau das bekommen wir in Fairy Tile geboten: Ein schönes und unterhaltsames Spiel zum anfassen und spielen.
In Fairy Tile erleben wir unterschiedliche Märchen, jede*r ein anderes. Aber im Grunde machen wir alle dasselbe: Aufträge erfüllen. Ähhh, Verzeihung, ich meine doch, Märchenseiten und Kapitel umblättern.
In Fairy Tile bekommen wir einen Satz an Karten, auf denen Aufträge stehen, so wie: Die Prinzessin muss im Wald stehen, und der Ritter auf einem Berg, oder der Auftrag heißt: Der Drache muss die Prinzessin und den Ritter sehen können. Das Spielfeld wird durch Plättchen erstellt und wächst Runde um Runde. Gebirge, Flüsse, Schlösser und all möglichen Märchenstandpunkt legen wir aus. Zusätzlich können wir die Figuren über die Landschaft schicken: Die Prinzessin macht immer nur einen Schritt, kann dafür aber auch von Schloss zu Schloss hüpfen, der Ritter geht immer 2 Schritte, dafür immer nur in eine Richtung, und der Drache fliegt von einem Teil zum gegenüberliegenden Teil: Er zieht nicht über Los und streicht auch keine 4000 Euro ein.
Sollte eine Aufgabe erledigt sein, wird die Geschichte vorgelesen, die auf der Karte steht, meist immer ein Satz im Märchensprech, und dann kann man sich der neuen Aufgabe stellen, die meistens genau dem aktuellen Zustand der Spielauslage NICHT entspricht.
Zu verstreicht Aufgabe um Aufgabe und wer als erstes sein Märchenbuch vorgelesen hat, darf sagen: Und wer die letzte Karte vorgelesen hat, gewinnt heute die Runde. Bumms. Aus. Sense.
Märchenhafte Freude und ein sagenumwobenes Erleben
Fairy Tile macht wirklich Spaß, und es sieht zudem auch echt klasse aus. Ich konnte mich sehr auf dieses Spiel einlassen und auch in meinen Gruppen kam Fairy Tile sehr gut an, was nicht verwundert, da die Grafik und Ausstattung des Spiels wirklich großartig sind – iello weiß halt, wie man es macht.
Das Spielprinzip ist wahrlich keine Neuerfindung im Spielmetier. Aufträge erfüllen konnten wir schon zug um zug in vielen Spielen. In Fairy Tile passt dies aber ausgesprochen gut, denn jede*r Spielende bekommt einen Satz Karten zufällig ausgeteilt, und erlebt damit sein eigenes Märchen. Schon spannend, was die 3 Protagonist*innen in den jeweiligen Geschichten erleben. Zwar wirkt das hier und da sehr willkürlich und zusammenhangslos, aber egal – sie erleben was.
Auch wenn die Spielenden alle ihr eigenes Märchen erzählen und erleben wollen, so kommen sie sich dennoch gehörig in die Quere, da auf dem Spielbrett je nur EINE Figur der Prinzessin, des Ritters und des Drachen zu finden sind. Und während ich zum Beispiel die Prinzessin im Wald sehen will, verfolgen die Nachbarn ganz andere Ziele mit der Prinzessin. Ja ja, hin und her gereicht die olle Maid …
Fairy Tile ist schnell erklärt und kann binnen 5 Minuten starten. Zugänglich, übersichtlich und verständlich – wenn man es erklärt bekommt. Der schnelle Zugang trifft nur bedingt für die Regel zu, denn diese hätte man auch einfacher gestalten können. (Warum nicht einfach sagen: Es gibt 3 Möglichkeiten: Figur bewegen, Plättchen auslegen oder Auftrag tauschen? Das mit der Geschichte erzählen, hätte man drum herum schreiben können. Aber egal, auch so kann man die Regel echt gut runterlesen und die nette Aufmachung macht gleich noch mehr Spaß auf das Spiel.)
Die Ausstattung des Spiels ist großartig. Ich mag die Gestaltung der Karten sehr und kann mich gar nicht satt sehen an den tollen Karten. Auch die 3 Figuren sind toll und laden zum „dran rumgrabbeln“ ein. Ich bin entzückt.
Analyse Märchen
Okay, nachdem ich nun dem Spiel meinem Senf draufgedrückt habe, hier noch ein kleiner analytischer Exkurs zum Märchen an sich. Dabei nehme ich die anfangs beschriebene Einleitung und zerflücke die mal in Kürze.
Es begab sich einst zu einer Zeit, da ritt ein mutiger Ritter sein Ross durch den großen Wald. Über umgekippte Bäume hopsten sie, ritten durch Dornenbusch und Gehölz, und manch Gewässer mussten sie ebenfalls durchqueren. Warum? Selbstverständlich dem silbernen Streifen am Horizont folgen.
Der Ritter ist unaufhaltsam. Fast manisch blind zieht es ihn durch dunkle Bereiche des Märchenlandes, und nur ein Sinn scheint ihn zu leiten: Die Prinzessin. Oder ist es das Geld? Die Macht? Das kann auch sein. Kurz um: Dem Ritter juckt die Flöte, und etwas PinkePinke kann auch nicht schaden, wenn ihr wisst, was ich meine. Ihr glaubt doch wirklich nicht, dass ein Ritter so selbstlos ist, nur um das holde Mädelein zu schützen, was wie in all den Märchen in der Klemme steckt. Ich bitte euch … Der Ritter ist in seiner chauvinistischen und sexistischen Anlage an strotzender Männlichkeit nicht zu stoppen. Zu sehr lockt der Duft des Frauenschoßes. Das Gehirn wird auf Minimum gepresst, so dass es in die Helmrüstung passt. Und warum: Der silberne Streifen riecht so gut.
Am anderen Ende der weit weit entfernten Märchenwelt schaute eine Prinzessin von ihren Burgzinnen gen untergehender Sonne. Hatte sie da nicht gerade eben einen funkelnden Blitz erkennen können? Ob das die scharfe Klinge ihres ihr unbekannten Prinzen war? Oder waren es gar die heißen Flammen des Drachen, der im Gebirge sein Unwesen trieb. Der Prinzessin fröstelte es und sie rieb sich die Arme, um sich selbst zu streicheln.
Die Prinzessin will sich verwirklichen. So versucht uns dies manch Märchen im Buche oder in seiner Verfilmung klar zu machen. Verwirklichen, sich gegen das Establishment des Adels auflehnen und ganz sich selbst sein. Emanzipation und Abenteuer. Doch mal ehrlich: Was die Prinzessin reizt ist „die scharfe Klinge des Ritters“ oder „die heißen Flammen des Drachen“, oder anders: Auch bei Frau Madamme knistert es unter dem Anorak. Die Abenteuerlust und das Abhauen von zu Hause ist nichts anderes als ein Aufbäumen gegen Struktur und Leben nach Plan. Eine abgehauene Prinzessin ist zudem immer noch revolutionärer, als beim Mittagessen aufstehen und zu bölken: „Ich esse gleich weiter, ich geh jetzt erst mal kacken und wasche mir danach nicht die Hände.“
„Grrrrrr“ machte der Drache und spuckte Feuer über seine Goldmünzen. Grauweißer Qualm schäumte aus seinen Nüstern und die Augen verengten sich. „Die Prinzessin schnappen und sie für immer bei sich halten, au ja, das wäre was Feines. Oder sollte ich dem Prinzen zeigen, wer im fernen fernen Märchenland das Sagen hatte? Grrrrrr….“ machte er wieder, und der Drache breitete seine Flügel aus und schwungvoll trieb es ihn in die Lüfte.
Der Drache ist ein Aussätziger, ein Verstoßener, ein Wilder. Alles muss er sich erklauben und hortet dabei wie ein Wahnsinniger. Verlustängste und Sammelwut – das zeichnet den Drachen aus. Und dabei will er nur eins: Geliebt werden. Ja, der Drache steht für die Sehnsucht und für unendliche Treue. Okay, ich gebe es zu, auch er will eigentlich nur knattern und geht dabei auch über (Ritter)Leichen, aber das ist ihm egal: Ein Leben in Zweisamkeit, das will und sucht er. Sein Gold und der Glanz der Münzen sind längst nicht so warm, wie die Hand einer*s anderen auf seinen Schenkeln. Arme sehnsüchtige Seele, schäumt über vor Geilheit und hat so viel heiße Liebe zu verschenken. Aber wehe es geht jemand an seine Münzen, dann gibt´s Zackzerapp die Rübe weggebissen.
Die Märchenwelt ist keine sagenumwobene Welt der Abenteuer, nein, sie ist eine gewalttätige Hormonwelt von bumsgeilen Lebewesen. So, jetzt ist es raus!