Great Voyage

Brettspiele Frittenrezensionen
5

Knusperfritte

Im Kreis laufen

2019 war das Humboldt-Jahr, wusstet ihr das? Anlässlich seines 250. Geburtstags gab es nur sehr sehr wenige Verlage, die dem Forscher und Entdecker zumindest auch spielerisch begegneten. Schade. Aber zum Glück gibt es Huch!, die sich dem Humboldt-Thema gewidmet haben, und Great Voyage rausgebracht haben, ein Spiel von Remo Conzadori und Nestore Mangone. Wir schauen mal, ob Forschungsreisende hier auf ihre Kosten kommen.

Mit Personen zur Fracht und Wissen

Optisch und haptisch ist das Spiel der Knaller. Wow! Huch! hat es wie immer richtig raus ein Spiele-Wow in die Schachtel zu zaubern, bei dem die Augen groß und die Finger schlüpfrig werden. Egal ob Spielbrett, das Holzmaterial oder die Karten – hier haben wir eine wahrliche, eine Great Voyage in der Hand und vor den Augen.

Aber Papierplatte und Holzstück wollen auch bespielt werden, und hier zeigt sich der Spagat von „joa, macht Spaß, kann man mal“ bis „oh weh, ich muss Gähnen, bzw. wie schon vorbei, ich lauf im Kreis“.

Tatsächlich ist diese Empfindung sehr stark von der Spieleranzahl abhängig, denn in einer kleinen 2er-Runde ist die große Reise echt okay, während in einer Vollbesetzung zu viert das Spiel viel zu schnell zu Ende ist und eher abschlafft. Aber mehr dazu später und weiter unten.

Ein großes Manko hat das Spiel aber in allen Zusammensetzungen, nämlich den Umgang mit den Wissenssteinen und der „Reise auf dem Brett“.

In Great Voyage nehmen wir Wissenssteine, um von Stadt zu Stadt und Land zu Land zu reisen. Passt unser eingesetztes Wissen mit der Stadtfarbe überein, können wir Fracht verladen. Brauchen wir auch, da wir unsere Schiffe vollmachen wollen. Die bringen nämlich Punkte. Zusätzlich haben alle anderen Spieler auch was vom eigenen Zug, diese dürfen sich, wenn mindestens 4 Wissenssteine in einer Stadt liegen, einen Stein nehmen, um ihn auf dem unteren Kartenteil ihrer Auslage zu legen. So bekommt man nämlich Kontaktpersonen, die man ebenfalls für Punkte (uns ggf. für Jokeraktionen) benötigt.

Schwuppdiwupp spielt sich die Runde so durch und Schiff wird um Schiff gefüllt. Und ehe man sich versieht, ist die Partie Great Voyage vorüber.

Mechanismus im Kreis

Der Spielmechanismus von Great Voyage ist klasse. Gefällt mir richtig gut. Irgendwie hat der Zugmechanismus etwas von Istanbul oder Five Tribes, auch wenn die beiden Spiele sich ganz anders spielen. Dennoch: Die Steine aufnehmen und nach und nach verteilen finde ich ganz großartig. So schaut man immer, welche Route man wählt und besucht immer öfter die gleichen Städte. Ein immer andauerndes im Kreisgerenne findet statt, und manchmal liegen die Steinchen richtig gut, und manchmal richtig Kacke. Die Fracht kann man immer irgendwie einlagern. Hier habe ich einen großen Kritikpunkt einzuwenden: In meinen Partien hat sich die Hauptreise immer in der Mitte angespielt. Richtig groß „drum herum“ gereist sind wir nicht, oder eher selten. Die Farben braun und schwarz waren die meist angereisten Wege. Eher zögerlich bediente man sich der anderen Farben. Kam vor, aber eher mit dem „Schlusssetzen der Steine“. Einen großen Bogen fährt man nicht, da die Abzweigungen im Norden und Süden zu wenige sind. Hier hätten ein paar mehr Pfeile besser getan.

Möglichkeiten, dem Nachspielenden die Suppe zu versalzen sind wenig bis nicht möglich. Dabei wird zu zufällig jede Runde der Start der Route bestimmt. Wer mitzählt und rechnet, wird später im Spiel wissen, welche Farbe gezogen wird, aber anfangs ist das nicht zu bestimmen. Aber bringt das was? Nein, zu zufällig werden Wissenssteine gezogen, von den Mitspielenden weggenommen, Routen gefahren. Böswillig ist man im Spiel nicht. Klar nehmen wir unseren Nachmenschen die Frachtplättchen weg, die sie brauchen, aber die Auswahl der Frachtplättchen ist so klein, dass man immer sein passendes Symbol einsammelt. Irgendwann.

Aber vielleicht will Great Voyage nicht so böse sein, wie ich es mir wünsche. Vielmehr spielt man so vor sich her, macht seine Züge, und sieht, dass alle während des eigenen Zugs auch n Vorteil haben können. Zum Glück: Gäbe es diese Komponente nicht, wäre die Downtime zu hoch. Wobei diese schon sehr hoch ist im Spiel. In einer 4er Konstellation kann man sich n Kaffee machen gehen, wenn die eigenen Schiffe keine Wissenssteine für die Kontaktpersonen mehr braucht. Zieht sich leider etwas.

Rundenkonstellation

Wie schon anfangs beschrieben finde ich Great Voyage in einer kleineren Besetzung wesentlich attraktiver, als in einer vollen Besetzung. Wir waren gefühlt viel schneller fertig in großer Runde, als in Kleiner. Auch hatte ich die Erfahrung gemacht, mehr Schiffe aussegeln zu lassen, je kleiner die Runde war. Unsere Punkte waren in kleinen Runden immer zahlreicher, als andersherum.

Hier mein nächster Kritikpunkt: Schiffe kann man nur fahren lassen, wenn man im eigenen Zug Fracht auf die Schiffe bringt. In einer 4er Runde sind die letzten 3 Runden der anderen nur für Kontaktpersonen interessant. Hat man schon alles voll, sind die letzten Runden für einen selbst fürn Humboldthintern. Schade. Hier hätte ich mir Möglichkeiten gewünscht dennoch eigene Schiffe losfahren zu lassen.

Und dennoch umgibt dem Spiel ein gewisser Charme. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele beim Spiel stehen bleiben. Zuschauen. Es anfassen wollen. Grafik und Haptik sind hier schon starke Verführer. Aber auch ein Interesse es spielen zu wollen, habe ich als sehr stark erlebt. Und nach den Partien habe ich meine Mitspielenden gefragt: „Und? Würdest Du es noch mal spielen wollen?“ „Ja, nicht sofort, aber schon.“

Das Thema finde ich passend gesetzt. Herumreisen, Kontakte knüpfen, Wissen nutzen um Fracht zu verladen. Das ist schon sehr stimmig. Aber richtig neue Länder und Städte erkundet man nicht. Vielmehr reist man immer im Kreis und macht den Kahn voll und segelt. Dennoch, wunderbar.

Lecker

  • Sieht schön aus
  • Tolles Material
  • Mechanismus ist ganz cool

Pfui

  • Eher 2er Besetzung, große Gruppe eher nicht so
  • In 4er Besetzung sind die 3 letzten Runden blöd, weil man selber nichts mehr machen kann
  • Wiederholung: Im Kreis laufen

Fazit

Funfairist hält fest

Ich mag Great Voyage. Ich mag die Optik, die Haptik und das Spielgefühl. Ich wünschte mir immer mehr, dass meine Mitspielenden mehr Gefallen am Spiel hätten. Vielleicht ist es das Immergleiche, was man im Spiel tut, denn so richtig abwechslungsreich ist es nicht. Und so ziehe ich den Kreisel wieder auf und reise im Kreis, im Kreis, im Kreis. Dennoch finde ich es gut bis knursprig. Ich vergebe eine Knusperfritte mit einem Plus dahinter. Herzlichen Dank an Huch! für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares.
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Knusperfritte