Totenstadt

Frittenrezensionen Kartenspiele
7

Superfritte

+++ Überleben unter Toten +++

Ganz leise strauchle ich mit meinem Kumpel Ralf durch die leergefegten Straßen dieser heruntergekommenen Stadt. Eine leere Stadt. Eine Leichenstadt. Eine Totenstadt. Eine alte struppige Katze springt aus den verdreckten Mülleimern hervor und rennt schreiend weg. Scheppernd fällt der Mülleimerdeckel auf den Boden. Hoffentlich hat das niemand gehört??? Wir sind auf dem Weg zur Tankstelle, und wollen dort einen Molotow Cocktail herstellen. Vielleicht finden wir auch Überlebende, hier, in der Totenstadt. Plötzlich hören wir dieses jämmerliche Stöhnen hinter uns. Verdammt! Schlurfer. 3 Stück von ihnen. Nein, es sind vier. Ne, fünf! Los, die machen wir fertig. Und während wir unsere Waffen und Rüstungen angespannt festhalten, merken wir nicht, wie Zombie-Wachmänner uns von hinten in die Zange nehmen wollen …

Willkommen in der Totenstadt, dem kooperativen Kartenspiel aus dem Hause Blood ´n Brain von Florian Möller. Kommt mit uns in eine erlebnisreiche und ach so schreckliche Welt des Todes, des Kampfes und der lebenden Leichen. Bewaffne Dich bis an die Zähne und beherzige diesen guten Rat: Bewahre die letzte Kugel für Dich!

Mehr als ein Kartenspiel

Die Frage ist doch: Können wir in einer Totenstadt, die überrannt von lebenden Leichen ist, auch Leben finden. Die Antwort: Ja! Es gibt Hoffnung. Aber diese Hoffnung muss erarbeitet werden. Nur durch Kooperation, Absprache, Wagemut und dem einen oder anderen Glücksfall ist es möglich in dieser Totenstadt doch zu überleben. Ich meine, wo wollen wir denn sonst hin? Einen Ausweg gibt es nicht. Die Stadt nebenan ist genauso tot, wie diese hier. Dann lass uns diese Totenstadt besiegen und sie wiederbeleben. Sonst könnten wir uns genauso gut eine Kugel in den Kortex ballern – aber davon wird die Stadt nicht wieder lebendig. Im Gegenteil.

Die Ausgangssituation und die „Geschichte über das Spiel hinaus“ ist ein deprimierendes, fast sinnloses, trauriges und apokalyptisches Unterfangen. Und dennoch: Es besteht Hoffnung in dieser Totenstadt und toten Welt zu überleben. Das gelingt nur, wenn wir uns trauen, es wagen, es schaffen. Totenstadt. Eine Dystopie. Ein Ort der Verfaulten. Wie soll hier Leben entstehen? Nun, indem wir nicht aufhören zu glauben, zu hoffen und zu versuchen, dass hier wieder Leben entsteht. Es liegt an uns, dass diese Stadt wiederbelebt wird. Mit dieser Einstellung können wir in diesem Kartenspiel zusammen die Toten bekämpfen, die Missionen erfüllen und für ein Happy End arbeiten. Ein Lichtblick in der Totenstadt.

Totenstadt ist ein Kartenspiel. Aber nicht so, wie man es meinen könnte, wie man mit Karten agiert. Wie spielen keine Karten verdeckt, machen auch keine Stiche (na ja, im übertragenen Sinne stechen wir hier den und die mal ab, aber das nur am Rande), auch sammeln wir keine Farben, keine Symbole und auch werden hier keine Kartenpunkte gehortet. Wir nutzen unsere Karten, um die Totenstadt und das Geschehen zu repräsentieren. Wofür manch andere Spielbretter, Figuren, Unmengen von Tokens und mehr benötigen, gebraucht Totenstadt nur Karten. Mit ihnen legen wir Straßen aus, Söldner treffen auf Gegner, Orte werden ausgelegt, Missionen werden beschrieben, Waffen, Ausrüstung, und viel mehr. Auf dem Tisch entsteht eine Totenstadt, die nur einen winzigen Teil dieser ach so riesigen Welt darstellt. Denn in Totenstadt steckt viel viel mehr, als es anfangs den Anschein hat.

Schöne neue Welt

Bevor ich für euch in die „Schöne neue Welt“ schaue, will ich einen kurzen Blick zurückwerfen, denn die Totenstadt ist schon seit längerer Zeit auf dem verspielten Markt zu finden. Schwer, aber tatsächlich. Anfang 2013 entstand die Idee zu Totenstadt. Und schon gegen Ende des Jahres nämlich im November 2013 wurde eine Version der ersten Totenstadt auf dem Weekend of Hell (heißt nun House of Horrors) in Oberhausen vorgestellt. Das war aber nur ein Demospiel. Zukaufen gab es noch nichts. Nur die ersten Ideen.

Im Jahr 2014 wurde die erste Version von Totenstadt auf vielen weiteren Festivals und Veranstaltungen vorgestellt. Mittlerweile wurde auch die Grafik und das Design immer neu entwickelt, weiterentwickelt, verworfen und wieder Neues hinzugefügt.

Ab 2015 konnte man dann die 1. Auflage vorbestellen, das Design war stimmig und die Macher zufrieden. Die 1. Auflage war auf 50 Stück limitert und die Karten hatten DinA6 Postkartengröße.

Die Kickstarterkampagne im August 2015 ist zwar gut gelaufen, erreichte aber leider nicht sein Ziel. Das hat die Jungs von Blood ´n Brain nicht davon abgehalten die 2. Auflage dennoch zu produzieren. Diese wurde auf dem Weekend of Hell im November verkauft.

Nächstes Ziel war die Spiel 2016 in Essen. Auf Wunsch vieler Spieler wurde eine Version in der typischen Kartengröße produziert, der erste Schritt zu Totenstadt 2.0 wenn man so will. Auf der Spiel wurden viele Exemplare verkauft, Demorunde über Demorunde gespielt und viele Gespräche wurden geführt. Dabei stellte sich heraus, das die Karten zwar toll aussehen, zum Spielen aber nicht so gut geeignet sind. Kleinere Karten, das Flair des großen Spiels und noch etwas Finetuning. Wird gemacht!

Wieder wurde am Spiel gearbeitet, wieder wurde eine Kickstarterkampagne versucht, wieder wurde das Ziel knapp verfehlt. Leider wurde die Kampagne nicht so populär gemacht, was die Jungs von Blood ´n Brain zum Anlass nahmen, mehr Werbung für da Spiel zu machen. Instagram, YouTube und und und … Die Entwicklungen am Spiel hörten ebenso nicht auf.

Nun am 20.9.2018 ist es soweit: Die nächste Kickstarterkampagne steht an. Totenstadt wird eine neue Basisbox bringen, welche die Geschichte aus der ersten Basisbox fortsetzt, aber auch problemlos ohne den Inhalt der ersten Basisbox gespielt werden kann. Der Unterschied zwischen beiden Boxen liegt dann in den Karten. Es sind zwar auch 110 Karten drin und diese entsprechen in der Zusammestellung auch der ersten Basisbox aber die Karten selber sind unterschiedlich. Totenstadt 2.0 könnte man sagen wird nun bald das Licht der Erde erhaschen. Den 20.09.2018 solltet ihr euch gut notieren, dann wird die Kickstarterkampagne starten, und ich schätze und hoffe sehr, dass nach dem Start noch lange Zeit die Totenstadt nicht dem Tode geweiht ist, denn in diesem kompakten Kartenspiel steckt eine Menge Potential. Aber dazu gleich mehr.

Erst einmal, um was geht es denn genau? Nun, so zusammengefasst kann man das gar nicht genau sagen, denn jede Mission wird schon zeigen, was erfordert wird. In der Mission „Schöne neue Welt“, die aus 8 Untermissionen besteht, müssen wir überleben, Sanitäter finden, die Tankstelle aufsuchen, GerSec-Zombies niederstrecken, ein Mädchen wiederfinden, Vicky sogar töten, Viktor zur Strecke bringen und die C.E.M. Mitglieder endlich zu Fall bringen. Puh! Eine Menge zu tun. Auf dem Weg dorthin müssen wir viele Zombieschädel spalten, Überlebende retten und mit uns nehmen, Waffen und Ausrüstung suchen, und so weiter und so fort. Das ist nur EINE große Mission, von vielen, die noch in Planung sind.

Eine schöne neue Welt wartet also auf uns. Eine erlebbare Geschichte, die wir mit Würfeln und kooperativer Absprache, durch Unterstützung und Waffenpower, durch Flucht und Wagemut bestehen können. Und wofür: Damit die Totenstadt uns nicht in die Knie zwingt.

Einblick in die Totenstadt

An sich ist das Spiel recht einfach, wenn man es erst mal verstanden hat. Ist ja bei den meisten Spielen so. Wer sich durch die Regeln, die noch im Werdensprozess sind, gekämpft hat, wird auch den Kampf in der Totenstadt schaffen. Regelerfahrene Leser*innen werden mit den Regeln von Totenstadt sehr gut zurechtkommen. Sie sind zwar lang, aber können vom ersten Spiel eins zu eins danebengelegt und abgehandelt werden. Regelunerfahrene Menschen können hier und da etwas ratlos sein, weil sie den Wald vor lauter Bäumen nicht erkennen. Keine Sorge, die Jungs von Blood ´n Brain sind auf ihrer Internetseite sehr lebendig und auch Autor Florian Möller ist für jede Hilfe sofort anschreibbar. Twittert ihn einfach an, oder schreibt über facebook oder die Internetseite ne Nachricht – der Typ lebt sein Spiel und hilft sofort weiter. Toller Support an dieser Stelle.

Weiter existiert auf der Internetseite zur Totenstadt eine Menge an downloadbarem Material, die die Spielbarkeit von Totenstadt unterstützt. Hier lohnt ein Blick auf jeden Fall. Und da Totenstadt zumindest jetzt, wo ich diese Rezension schreibe, immer noch im Werdensprozess ist, werden die Regeln immer noch weiter ausgebaut und optimiert. Also: Wird schon klappen. Wir haben es ja auch geschafft, und wir sind FRITTEN!!!

In der Totenstadt müssen wir Missionen durchspielen. Dabei begegnen unsere Söldner unterschiedliche Gefahren, die im Begegnungsstapel lauern. Ungewiss ziehen wir Zombies, Überlebende, treffen auf Orte und so weiter. Nach und nach wächst der Begegnungsstapel – kommt drauf an, was in der Totenstadt passiert.

Kämpfe, Plünderungen, bestimmte Aktionen und so weiter werden ausgewürfelt. Glück spielt eine große Rolle in der Totenstadt. Aber auch dieses Glück kann man beeinflussen. Motivation kann unsere Würfelwürfe beeinflussen. Auch Fähigkeiten sind nicht schlecht, wenn man sie einsetzen kann.

Schafft man die Begegnungen und kommt aus ihnen lebend und heil heraus, kann man sich weiter durch die Totenstadt boxen, schießen, stechen. Das Ziel ist die Mission!

Hat man eine Spielrunde erst mal gespielt, spielen sich die nächsten fluffig von der Hand. Allerdings verläuft eine Runde nicht wie jede andere Runde, da die Karten immer eine andere Anordnung (da gemischt) zeigen. Die Struktur bleibt zwar gleich, aber für inhaltliche Abwechslung ist hier auf jeden Fall gesorgt.

Um eine Spielrunde zu durchleben, muss man immer eine Aktion ausführen. Aus einer beinah unüberschaubaren Vielfalt von Aktionsmöglichkeiten wird nur eine durchgeführt – meistens ist es Kampf. Aber auch andere Aktionen, hier kommt es immer auf die Situation an, sind hilfreich.

So spielt sich Totenstadt Runde für Runde durch, und mit jedem Schritt zieht sich der Strick enger um den Hals, der durch die Mission um unseren Schlund gelegt wurde.

Aussehen und fühlen von Totenstadt

Die Ausstattung ist sehr überschaubar: Karten, Würfel und ein paar Holzwürfelchen. Mehr nicht. In Sachen Aufmachung schaut es da schon wesentlich abwechslungsreicher aus: Söldner, Waffen, Ausrüstung, Gegen, Orte, Missionen, Übersichtskarten, Überlebende, Bosse, Ereignisse, … In Totenstadt steckt eine Menge drin. Darum ist es ratsam an dieser Stelle zu sagen: Ihr braucht einen großen Tisch, denn wenn Totenstadt einmal auf dem Tisch ausgebreitet ist, ist meistens auch der Tisch knüppelvoll.

Die Zeichnungen und Illustrationen sind super und passen zum Spiel. Auch haben die Karten eine Menge Informationen auf den Karten. Für Menschen, die etwas weitsichtig sind, schnappt euch ne Brille, manchmal sind die Schriften schon etwas klein auf den Karten. Sonst helft euch einander, denn Totenstadt ist ja ein kooperatives Spiel, woll!?

Der Spielspaß hat uns schon sehr erreicht. Ganz besonders nennenswert ist die Atmosphäre und die „erdachte und phantasierte Spielstädte“ von Totenstadt. Spielende Menschen, die in der Lage sind, in Spiele einzutauchen, werden mit Totenstadt ihre helle Freude haben. Das Spiel lädt dazu ein, zu träumen, zu phantasieren, diese Totenstadt wahrlich zu werden. Tipp von uns: Spielt im Hintergrund die passende Musik ab, bringt euch in (apokalyptische) Stimmung, leuchtet den Tisch aus und dunkelt das Zimmer ab. So wird auch Totenstadt ein wahres Erlebnis. Wir hatten jedenfalls schöne atmosphärische Momente so erzielen können.

Fazit

Wir haben in Totenstadt ein echt tolles und vielseitiges Spiel erfahren können. Wir würden uns echt sehr sehr freuen, wenn Totenstadt noch weiter ausgebaut wird, denn der Möglichkeiten gibt es viele: Zombiezoo, eine verseuchte Universität, Abwasserkanäle, eine Suche nach einem bestimmten Überlebenden, der Bau einer Bombe und eine Autofahrt durch die Totenstadt – ja, soetwas will ich sehen. Totenstadt ist in der Lage dies zu schaffen, und mehr noch: Alle können so etwas erschaffen. Totenstadt ist ein Systemkoffer, aus dem man sich bedienen kann. Darum: Wir wollen unser Möglichstes tun, um der Totenstadt Leben einzupusten. Wir finden es super!

Danke an Florian Möller von Blood ´n Brain, die uns Totenstadt als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben.

Lecker

  • Viel Spiel und für Abwechslung ist gesorgt
  • Super klasse Support
  • Tolle Zeichnungen

Pfui

  • Die Regeln sind gewöhnungsbedürftig
  • Manchmal zu schwer, man kann zu wenig Einfluss nehmen

Fazit

Funfairist ballert um sich herum und schreit

„Kommt her ihr Toten! Ich mach Hackepeter aus euch!“ Peng, Peng und Schlitz, Schlitz macht es, und Funfairist bekommt gar nicht mit, dass sich wankend eiskalte verfaulte Hände seinem Hals von hinten nähern ... Die Totenstadt, ein Ort der Toten, der Verfaulten, der lebenden Leichen. Ein Ort, dem Leben wieder ganz gut stehen könnte. Ich will dafür sorgen, dass auch Totenstadt eine lebende Stadt wieder wird.
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Superfritte