Vom Tisch ins Umland
Die Tafelrunde: Könnte man meinen, man sitzt gemütlich mit Kumpels am Tisch, schmaust Äpfel und gegrillte Ferkelbeine und rammt sich die eine oder andere Gerstenschorle in die Gedärme. Heidadaus, wie appetitlich und unbeschwert das Ritterdasein ist. Aber weit gefehlt, bei Merlin von Stefan Feld und Michael Rieneck, was bei Queen Games erschienen ist, haben wir zwar so einen kleinen Apfel mal in den Fingern, aber größtenteils müssen wir Verräter abwehren, Grafschaften bezirzen, Gefolgsleute entsenden, Umland bebauen und und und. Wir schauen heute auf das fantastische Merlin und die Erweiterungen. Viel Freude.
Wow
Brett-, Karten- und Würfelspiele verwandeln Tische zu wahren Augenweiden und Grabbelstuben. Merlin kann sich hier vorbildhaft einreihen und wahrlich prächtig protzen. Was eine Ausstattung und ein Meer an ohhhhs und ahhhs wird hier geboten. Sorry, wenn ich mich gleich auf die Optik und Haptik schmeiße, aber Merlin ist wirklich ein visueller und haptischer Knüller. Bunt, vielseitig, üppig und mit einander verwoben. Hat Mensch einmal den Überblick verstanden, offenbart sich ein Spielparadies der Synästhesie.
Aber jetzt mal Schluss mit gucken und grabschen. Wir wollen Spiele ja spielen, erleben und in sie hinein tauchen, und nicht nur glotzen und begreifen. Spielerisch begreift Mensch Merlin sehr schnell und nach einer klitzekleinen Einführung steht man an sich klar am Tischrand und weiß Bescheid. Nur anfangen muss man ja mal, und das hat es in sich.
Mit dem Würfel in der Runde
An sich ist Merlin echt einfach und sehr verständlich. Wir haben 3 eigene Würfel und einen weißen Merlinwürfel und deren Augenzahlen bestimmt unsere Zugweite. Da wir mit unserer Figur nur im Uhrzeigersinn gehen, bleibt nicht viel Auswahl (erst einmal; kommen die Fahnenaktionen dazu, wird es komplexer). Wir hoppeln an der Tafel von Sitz zu Sitz und führen am Ziel unsere Aktion aus. Bums. Einfach. Na ja, soweit. Aber bei der Aktion sollte gut gewählt sein, was Mensch wirklich tut.
Typisch Feld und Rieneck: Einfach zu spielen – schwierig und herausfordernd in der Entscheidung. Was ist zu tun? Welchen Gefolgsmensch einsetzen? Oder sollte ich lieber meine Fahnenaktion nutzen? Was macht eigentlich Merlin? Sollte ich ein Aktion doppelt ausführen? Und wie schauen meine nächsten Züge aus? Komme ich mit meinen Würfelaugen hin? Brauche ich die Gunst des Königs, wenn ich meinen Auftrag fertigstelle?
Ja, in Merlin stelle ich mir viele Fragen. Was sind meine nächsten Schritte? Kann ich diese planen und welche Alternativen bleiben übrig?
Ich schätze an Merlin sehr, dass es so viele Möglichkeiten und Strategien gibt, die man verfolgen kann. Der Ausbau im Umland sollte nicht unterschätzt werden, aber auch die Aufträge sind wichtig, Fähigkeiten erlernen können Zusatzpunkte bringen, also auch nicht vergessen, oder sollte ich meine Fahnen einsetzen. Kommen die Erweiterungen noch hinzu, kommen noch mehr Fragen.
Das ist das Tolle an Merlin, auch wenn das Spiel mit Modul und Erweiterung wächst, so ist es dennoch möglich vieles im Blick zu haben und zu planen. Und dennoch ist eine Glückskomponente drin: Die Würfel. Hat man keine Äpfel, ist man aufgeschmissen. Manch Erweiterung und Modul macht aber aus dem noch mehr Plansicherheit.
Ein langer Weg um den Tisch
Wir bewegen uns immer um den Tisch auf den Sitzen herum. Dabei kommen wir an den 6 Grafschaften vorbei. Der Weg ist ein langer, und würfelt Mensch im Spiel nur kleine Zahlen, so ist das vorankommen eher schwierig und mit Handbremse. Dennoch fühlt sich der Weg nicht so schleppend an, denn Merlin (und Artus in der Arthur-Erweiterung) sind mit im Spiel und sorgen für weitere Bewegungsmöglichkeiten. Das fühlt sich einfach toll an und lässt einem viele Handlungsoptionen.
Optionen hat Mensch eine Menge in Merlin, und wenn man mit allen Erweiterungen und Modulen spielt, ist das Ding wirklich proppevoll. In der Arthur-Erweiterung kommen die Pikten hinzu, Artus bewegt sich auf einem eigenen Rondell, und wir haben noch mehr Auswahlmöglichkeiten. Die Ritter der Tafelrunde, Erweiterung zwei, hat zwölf Ritter mit Spezialfähigkeiten an Bord. Diese können wir permanent bis abgezählt einbringen und nur für uns nutzen. Die Queenies bringen uns Schätze im Umland und Erlassplättchen des Königs.
In der neuen angekündigten Erweiterung wird sogar Morgana mit eingeladen, die gleich drei weitere Module mit in der Handtasche dabei hat.
Mit Merlin und Konsorten sind also jede Menge Spielmöglichkeiten geboten und gegeben. Und egal ob man sich entscheidet das Spiel in seiner Ursprungsversion oder mit Erweiterung oder Modulen zu spielen, Merlin bleibt eine runde Sache. Wie der Tisch, um den wir uns bewegen.
Fazit
Für mich ist Merlin ein fantastisches Kennerspiel mit einer außergewöhnlich guten Ausstattung und einem wunderbaren Spielgefühl. Ich mag die Einfachheit des Spielprinzips und die Komplexität des Spielzugplanens. Das Spiel ist sehr zugänglich und hat man einmal die Ikonografie der Spielbereiche erklärt bekommen, wird einem sehr schnell klar, was zu tun ist. Und dennoch ist Merlin (und besonders mit seinen Modulen) nicht einfach so von der Tischkante zu spielen. Es muss geplant werden, Schritte im Voraus überdenkt werden, Reihenfolgen der Würfel sind äußerst wichtig im Spiel. Gerade weil es nur 3 Würfel sind, ist eine Spielerunde nicht zu lang und zu grüblerisch. Dennoch verlangt es ordentlich Gehirnschmalz ab, gerade wenn man die Module hinzunimmt. Wer einmal mit der Erweiterung 1 und auch 2 gespielt hat, will sie gar nicht mehr missen.
Des Weiteren ist das Spiel eine Augenweide und ein Zuschauermagnet. Wer das Ding aufgebaut sieht, bleibt stehen, auf jeden Fall. Durch die Optik und Haptik kommt allein beim Aufbau schon ein Gefühl von „Oh! Das will ich spielen. Da will ich dabei sein.“ Das habe ich bei vielen entlanglaufenden Menschen, und mit denen am Tisch erlebt. Merlin ist wie eine schimmernde Perle, sobald man die Schatulle geknackt hat. Ein Leuchten, eine Sirene, die mit ihrem Optik-Haptik-Gesang lockt und einlädt. Merlin ist synästhetisches Spiel. Wunderbar. Für mich eine echte Spielperle, die ich jedem ans Herz legen möchte.