Verrat auf dem Hügel
Betrayal at House on the Hill ist eines der Spiele, das es schon ganz schön lange gibt, die aber auf dem deutschsprachigen Markt erst vor (relativ) Kurzem Einzug erhalten haben. Auf Englisch gibt es das Spiel schon seit 2004. Es gibt eine englischsprachige Erweiterung und neben dem Haus auf dem Hügel gibt es das Spiel im Englischen auch mit anderen Themen: Baldur´s Gate (das dürften die Computerspieler von euch kennen ;-)), es gibt eine Legacy-Variante und in 2020 erscheint eine Scooby-Doo Version. Warum also hat es das Spiel jetzt erst zu uns geschafft? Sind die deutschsprachigen Spieler keine Fans des Psycho-Horrors, oder woran liegt´s?
Ich für meinen Teil bin absoluter Horror-Fan und von daher habe ich natürlich mit schweißnassen Handflächen vor dem Spiel gesessen und mich auf das Spielen gefreut. Sehr gefreut. Ob das Spiel so gut abgeschnitten hat, wie ich mir das erhofft habe, werdet ihr hier erfahren.
Der Horror
An sich ist ja Horror was Verrücktes. Angst ist ja eigentlich kein gutes Gefühl – ich für meinen Teil kann nicht behaupten, dass ich es mag, dass ich Angst vor etwas habe. Das ist allerdings bei Horrorfilmen, -büchern und -hörspielen etwas anderes. Das ist Nervenkitzel, das Adrenalin schießt in die Blutbahnen und es packt mich, wenn ich davon höre, lese oder es sehe, wenn Menschen Horror erleben. Gejagt vom Serienkiller, verflucht von einem Dämon, eingesperrt in einem gruseligen Haus? Dunkel, blutig und gefährlich? Nehm ich. Aber nur, wenn ich dabei auf der Couch liegen darf! Denn das ist es, was uns Menschen so an diesem Genre fesselt: Jemand anders erlebt etwas aufregendes, das wir miterleben können, ohne in Gefahr zu sein. Äußerst praktisch und bequem, da man dabei sogar eine Tüte Chips vertilgen kann.
Und auch hier bei Betrayal at House on the Hill kommt ein bestimmtes Grusel-Gefühl rüber, denn du weißt nicht, wer von deinen Mitspielern wirklich dein Freund und wer dein Feind sein wird. Ich erzähl ich euch mal kurz, worum es geht. Das ist schnell erklärt – für Details könnt ihr hier die Regel finden.
Ein Ausflug unter Freunden
Jeder verkörpert einen Charakter, der im Haus auf dem Hügel gelandet ist. Alle Charaktere haben 2 körperliche und 2 mentale Eigenschaften: Tempo (das ist die Bewegungsreichweite) und Stärke, sowie Wissen und Verstand. Mit diesen Werten wird u.a. die Anzahl an Würfeln bestimmt, die ein Charakter beim Ausführen einer Probe zur Verfügung hat. Sinkt auch nur ein Wert auf den Totenkopf, ist der Charakter tot.
Dann gibt´s Würfel, wie ich gerade schon erwähnt habe. Da sind keine, 1 oder 2 Punkte drauf abgebildet – ein Punkt ist ein Erfolg. Die braucht man für unterschiedlichste Proben.
Ja, und dann sind noch jede Menge Token in der Schachtel, die man aber zu Beginn noch nicht alle braucht. Das Spiel erklärt tatsächlich selbst, was wann wie benötigt wird und was geschieht.
Wir sind also alle im Haus eingesperrt und kommen nicht raus. Daher erkunden wir das Haus. Zu Beginn liegt nur der Flur aus und mit Hilfe unserer Tempo-Bewegungspunkte können wir Raum für Raum durchqueren und neue Räume erkunden. Auf diesen Räumen steht drauf, was passiert, wenn sie erkundet werden und ob sie vielleicht dauerhafte Auswirkungen haben. Nicht alle Räume können in jedes Stockwerk gelegt werden, weswegen auf der Rückseite jedes Raumes angegeben ist in welche der 3 Stockwerke es gelegt werden kann: Keller, Erdgeschoss, Obergeschoss. Bin ich im Keller und ziehe einen Raum, der hier nicht angelegt werden kann, ziehe ich so lange, bis ich einen Kellerraum finde. Den handle ich ab und tue Dinge und ziehe Karten und dann ist der nächste dran.
Immer wieder können wir so an neue Gegenstände kommen, es können Ereignisse ausgelöst werden und es gibt Räume, die sogenannte Omen ins Spiel bringen. Immer, wenn ein Rabe auf einem Raum ist, wird eine Omenkarte vom aktiven Spieler gezogen und abgehandelt. Danach gibt es einen Spukwurf – also immer dann, wenn ein Omen gezogen wurde. Der aktive Spieler würfelt mit 6 Würfeln. Würfelt er weniger Erfolge, als gerade Omenkarten auf dem Tisch liegen, beginnt der Spuk. Wer aufgepasst hat, weiß es schon: Je mehr Omenkarten auf dem Tisch liegen, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Spuk ausgelöst wird. Das kann sehr früh geschehen oder auch länger dauern. Falls also der Spuk nicht ausgelöst wurde, geht es wie gewohnt mit dem Erkunden weiter.
Diese Spukwürfe sind schon ein bisschen Nervenkitzel und irgendwie fühlt man sich auch verantwortlich … wofür ist allerdings die Frage. Wenn ich würfle und löse den Spuk aus, bin ich irgendwie für die Konsequenzen verantwortlich … und will ich das überhaupt? Irgendwie nicht – aber natürlich doch, denn das ist ja das, worum es hier geht! Merkwürdiges Bibbern durchfährt mich vor jedem Spukwurf, den ich mache muss … 😉
Hä? Spuk?
Ja genau – und das ist auch der Dreh- und Angelpunkt dieses Spiels. Nur durch ein Haus zu laufen und es zu erkunden wäre ja auch auf Dauer langweilig. Sobald der Spuk ausbricht, wird geschaut, welche Omenkarte in welchem Raum als letztes gezogen wurde. In einer Tabelle schaut man dann nach, zu welcher Spuknummer das einen führt. Fiktives Beispiel: Die Mayo wurde in der Küche gefunden. Das bedeutet, dass der Spuk 99 ausgelöst wird. Und nun kommen auch die anderen beiden Hefte ins Spiel, auf denen dick „NICHT LESEN!“ steht. Nun ist aber der Zeitpunkt gekommen, an dem wir da reinschauen müssen, denn sehr wahrscheinlich wird die Gruppe jetzt gesplitted: In ein Monster oder sowas, also den Verrräter, und die Gruppe, die überleben möchte. Erst jetzt – in unserem Beispiel in Spuk 99 – erfahren wir, wer der Verräter sein wird und ob es überhaupt einen gibt. Bisher haben wir friedlich gemeinsam die Hütte erkundet, aber jetzt geht´s um die Currywurst.
Vertraue niemandem.
Der Verräter bekommt das Verräterheft, geht aus dem Raum und liest sich die Informationen des jeweiligen Spuks durch – dort erfährt er, wer er ist und was sein Ziel ist. Selbes tut die Überlebendengruppe und erfährt in ihrem Heft, was sie tun müssen, um zu gewinnen.
Wenn alle ihre Aufgaben kennen, trifft man sich wieder am Tisch. Und ab sofort heißt es: Alle gegen den Verräter. Also, falls es einen gibt. Es muss nämlich nicht so sein. Es kann auch sein, dass wir alle mit Hauen und Stechen gegeneinander kämpfen. Natürlich wird nicht verraten, was man so in seinem Heft für Informationen gefunden hat – das ist ein großes Mysterium. So beginnt man nach dem Spuk mit nur wenigen kommunizierten Informationen und versucht möglichst „versteckt“ seinen Plan in die Tat umzusetzen. Warum versteckt? Wenn mein Gegenüber nicht weiß, was ich tue, kann er mich schlechter davon abhalten 😉
Natürlich wird Schritt für Schritt klarer, wer welches Ziel verfolgt und wer was warum tut … aber das dauert.
Dann wird weitergespielt bis eine Gruppe oder eine Person ihr Ziel erreicht hat – und diese Person/Gruppe gewinnt die Partie dann.
Strategiespiel?
Äh. mh. nee. irgendwie nicht. Höchstens nachdem der Spuk da ist – da kann man dann anfangen, sich eine Strategie zu überlegen, die man verfolgen will. Aber auch das ist gar nicht so einfach, denn es gibt Spukszenarien … ich sach ma so: Da hat uns der Verräter mal ordentlich weggefegt. Ruckizucki war´s vorbei. Da wäre jeder Gedanke zu einer guten Strategie für die Überlebenden überflüssig gewesen. Aber es gibt auch andere Spuke, bei denen man sich gut überlegen sollte, was man tut – das gilt natürlich für beide Seiten.
Vor dem Spuk ist es tatsächlich ein reines Erkunden und durch die Gegend laufen. Wir können uns noch nicht bekämpfen und die einzigen Schäden, die wir bekommen können, sind vom Haus selbst. Da ist noch nicht viel mit Strategie. Das ist vielmehr Abenteuer. Horrorabenteuer halt.
Ich hätte es vielleicht eher ein Psychospielchen genannt, denn es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn du am Tisch sitzt und spielst und keine Ahnung hast, was passiert. Ein sehr ungewöhnliches Gefühl, da ja Spieler dafür bekannt sind, Regeln bis ins kleinste Detail zu lernen und umzusetzen. Tja, und dann sitzte vor Betrayal at House on the Hill und weißt nicht, was in diesem Spiel passiert. Und alles, was du tun kannst, ist Räume erkunden und abwarten. Und die Spukwürfe machen es wirklich spannend … keiner weiß so recht, ob er wirklich möchte, dass der Spuk ausbricht … und es kann jeden treffen. Was, wenn ich selbst zum Verräter werde? Tja, kann passieren. Und dann kann man sich erstmal darauf gefasst machen, dass man fertig gemacht wird. Also – zumindest wenn man mit mir spielt. Denn ICH wusste ja schon von Anfang an, dass genau DU der Verräter werden würdest. PÜH!
Gruselig
Gruselig ist teilweise allerdings auch das Material. Es ist ja schön, dass die Figuren schon angemalt sind, aber vor denen hätte ich wirklich Angst, wenn die plötzlich neben mir in einem abgelegenen Haus stünden.
Was ist mit euren Augen passiert, Vivian und Ox?? Und warum färbt die Hose so krass ab? UND WAS ZUR HÖLLE IST DA MIT DEINER HAND PASSIERT, Jenny oder Heather oder wie du heißt? (das ist die links unten) Ich mein, ich bin sicherlich kein Profi was das Anmalen von Miniaturen angeht. Aber wer oder was war das denn hier? Hat da einer mit Augen zu gemalt?!
Auch das Material der Charaktertafeln ist eher unheimlich. Dort markiere ich mit Plastikzeiger, die ich über den Rand der Tafeln stülpe, wie hoch welche Eigenschaft ist. Und die zerfetzen ruckzuck die Ränder. Aber gut, spielen kann man es trotzdem ohne Einschränkungen, aber schön is anders.
Trotz Gemecker lieb ich´s.
Ja, das stimmt. Ich finde, Betrayal ist wirklich ein ganz tolles Spiel, das gerade in (nahezu) voller Besetzung am meisten Spaß macht. 5-6 Spieler find ich hier am besten, zu dritt .. mäh. würd ich es eher nicht empfehlen, zu 4 ist´s okay … Dieses Spiel erzeugt eine tolle Spannung am Tisch (die übrigens mit der passenden Musik noch besser wird!) und es ist ein ungewohntes und gleichzeitig cooles Gefühl, dass wir alle im gleichen Boot sitzen, wenn das Spiel beginnt. Nicht zu wissen, wer der Verräter wird und was geschehen wird ist ungewohnt, aber natürlich für den Nervenkitzel absolut zuträglich.
Ich bin auf jeden Fall wirklich auf den Geschmack gekommen – die englische Version hab ich selbst vorher noch gar nicht gespielt … und wünsche mir mehr deutschsprachiges Betrayalen und noch mehr Horrorspiele, die es schaffen, mich nervös zu machen …