Showtime

Brettspiele Frittenrezensionen
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Knusperfritte

Cineastisches Publikumserlebnis

Wart ihr schon mal im Kino? Ihr wisst schon, diese kleinen bis fetten Bunker, wo es dunkel drin ist, wo alle an ihrem Popcorn knautschen, wo die flinken Hände in den Chipstüten rascheln und wo durch einen Strohhalm mindestens 5 x versucht wird den letzten Süppel aus der Becherecke zu schlürfen. Der Ort, an dem Menschen gemeinsam nicht nur einen Film schauen und hören, sondern auch gerne mit einander reden, gegen Sessellehnen rummsen, ständig durch die Gänge spazieren gehen und nichts besseres zu tun haben, als auf das eigene Handy zu schauen, welches mit seinem Lichtschein heller als der Schein von der Leinwand ist. Genau diesen Ort meine ich. In Showtime bekommen wir den Fokus auf das geschenkt, was Kino unter anderem ist: Nicht nur Filmerlebnis, sondern Publikumserlebnis. Wir schauen auf Showtime von Anna Oppolzer und Stefan Kloß aus dem Hause Pegasus Spiele.

Kino ist mehr

Ja, diesen Slogan kennen wir, und die Kinobranche wirbt damit, dass Kino mehr als ein Film ist. Damit haben sie recht, und auch ich bekenne mich (nicht nur als Filmwissenschaftler) als Cineast und Befürworter für Kino und cineastisches Erleben an einem bestimmten Ort. Kino besteht nicht nur aus einem Film, der sicht- und hörbar abgespielt wird. Früher lief er noch, heute wird er übertragen – faules Framepack. Nein, Kino ist ein Erlebnisort, der mehr als ein cineastisches Erlebnis zu bieten hat. Es ist ein Ort der Begegnung, ein Tempel mit mehreren Fenstern zu unterschiedlichen Welten, ein Gebäude für synästhetische Erfahrungen. In einem Kino schauen und hören wir nicht nur, wir riechen, wir schmecken, wir fühlen. In einem Kino(saal) kommen Menschen, fremde Menschen, zusammen, die gemeinsam und jede*r für sich eine eigene Kinoerfahrung zu machen. Produzenten von Kino hoffen auf gute und schöne Erfahrungen, in der Hoffnung, dass die Besuchenden ja wiederkommen. Aus purer Leidenschaft betreiben Kinobesitzer ihre Philie schon lange nicht mehr, oder nur noch in sehr kleiner Bestimmung. Kunden sollen kommen, konsumieren, bezahlen, wiederkommen. Leider sieht die Realität so aus: Besuchende haben in einem Kino die Möglichkeit einen Film zu erleben, Nahrung einzuverleiben, mit Menschen in einem außerdiegetischen und doch unwirklichen Erlebnisraum gemeinsam eine Erfahrung zu machen, die in gewisser Weise ähnlich, und doch so anders sein kann. Kino ist also nicht nur Film, sondern die Möglichkeit für unterschiedliche Kontaktformen.

Und so manche Kontaktform wünscht man sich nicht, auch wenn einem doch klar ist, wofür man ebenfalls bei einem Kinobesuch bezahlt. Das Spiel Showtime setzt sich mit dem Kontakt von Mitrezipient*innen auseinander. Bei Showtime ist der Film (fast) egal. Nicht WAS gesehen und gehört wird ist von Bedeutung, sondern WER noch mit in den Polsterreihen sitzt. So zeigt sich das Spielbrett nicht als Leinwand, sondern ausgiebig als Sitzort: Showtime der Besuchenden.

Ein Fokus wird darauf gelegt, was vor der Leinwand geschieht, und nicht auf (oder auch hinter) der Leinwand. Damit hat das Spiel in seiner Grundhaltung schon recht, denn Kino und Film entstehen, das wissen wir ja, nicht auf der Leinwand, sondern in uns selbst – aber das nur am Rande. Damit ist die Aufteilung des Spielbretts schon ganz gut gewählt, dass der Zuschauendeninnenraum so omnipräsent gestaltet ist.

Doch statt auf cineastisches Empfinden einzugehen, stehen hier (stereotypisch überzeichnet) die Menschen im Vordergrund, die eine cineastische Erfahrung sammeln wollen.

Ein Klischee der Wirklichkeit

Showtime ist im weitesten Sinne ein Area Control Spiel: Wer sitzt wo und macht sich wie breit? Kinosessel, wenn man sie befragen würde, könnten Stunden erzählen, wen sie im Dunklen schon alles aushalten mussten. So kommen Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Macken zusammen und verhalten sich ganz rücksichtslos und dem eigenen Befinden dekadent-hedonistisch. Wir, die Mitspielenden, senden diese Rezipient*innen aus, um die Sitzplätze im Kinosaal einzunehmen. Tauschen, belegen, vorne, Mitte, hinten, und eine ziemlich hohe Wertigkeit auf Geschlecht legend verteilen wir die Menschenkarten in den Reihen. Ist das Kino voll, ach was würden den Kinobesitzern die Tränen den Wangen runterkullern, wird ausgewertet und Sterne vergeben.

Am Ende von Spielrunde 3 wird geschaut: wer ist vergnügter Star und wer kommt Direkt-to-DVD raus?

Die Menschenkarten, die wir in die Sessel legen, können nicht klischeehafter sein. Dies zeigt sich schon im Namen, denn Benny Blase muss halt immer und darum will er nicht in der Mitte sitzen, Heino Horch hat seine Jahre schon gelebt, und will, um alles besser zu sehen und zu hören gerne vorne sitzen, sollte Leo Lulatsch allerdings vorne sitzen, können sich Menschen hinter ihm eine nicht ganz schöne Kinoerfahrung machen, da diese Person nicht viel Geld bezahlen wollte, nur um den Hinterkopf von Leo die ganze Zeit zu sehen, und auch Mia Mampf meint ihr gesamtes Taschengeld in Kinopolstern zu verfressen, um damit ihren Sitznachbarn auf den Senkel zu gehen. Das sind nur wenige Beispiele, und glaubt mir, es geht noch schlimmer: Ein Sammelsorium an „ismen“ sind den Klischeekarten zu entnehmen: Dicke, Raufbolde, Sexbomben und Quasseltussies – Klischee, ick hör dir trapsen.

Cineastisches Spielerlebnis

Vielleicht gerade weil, oder auch vielleicht gerade deswegen nicht, ich Cineast und Filmfan bin, konnte mich Showtime nicht ganz abholen. Das Spiel ist nett, solide und auch wunderbar für ein Familienspiel geeignet, aber strategische Tiefe und viel Planung ist in diesem Spiel nicht wirklich gegeben. Viele Zufallskomponenten kommen zusammen. Das ist aber auch nicht schlimm, denn Showtime versucht in erster Linie zu unterhalten. Dies auch gerne mit einer ordentliche Prise Ärger. Und Ärger ist im Spiel auf jeden Fall enthalten. Wenn Besucher*innen genau da ausgelegt werden, wo man selber jemanden hinsetzen wollte, können schon mal die Zähne knirschen.

Showtime ist ein nettes und kurzweiliges Ärgerspiel, was gut mal zwischendurch gespielt werden kann. Wer ein strategisches und ernstes Spiel spielen will, sollte für Saal B (anderes Spiel) ein Ticket lösen, das wird in diesem Kinosaal nicht gespielt. Die Gestaltung des Spiels ist liebevoll, wenn auch klischeehaft und stereotypisiert. Ein nettes Spiel, nicht mehr und nicht weniger.

Lecker

  • Ganz witzige Namen und stereotypische Anspielungen
  • Leicht erklärt und gespielt

Pfui

  • Ziemlich zufällig und wenig Planung möglich
  • Kurzweiliges Ärgern, aber mit wenig Tiefgang
  • Kann man mal, mehr auch nicht

Fazit

Funfairist quatscht in die Spielevorführung

  "Ich vergebe eine Knusperfritte. Mich hat das Spiel nicht ganz so abgeholt. Es ist nett, aber mehr auch nicht. Ich hatte mehr Freude mich an der Gestaltung satt zu sehen, als dem Spiel Planung und Strategie zu schenken. In Familienrunden kommt das Spiel gut an, und wer Lust auf ärgern hat, kann hier ebenso Spaß haben – wenn die Karten dann auch so kommen. Nett, aber mehr auch nicht. Herzlichen Dank an Pegasus Spiele, die uns Showtime für eine Rezension zur Verfügung gestellt haben."
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