Zurückgespült oder „Du kommst hier ned rein.“
Ja ja, so ein Schildkrötenerwachen ist kein einfacher Start ins Leben. Während sich der olle Raubvogel den Schnabel leckt, und Gevatter Raubfuchs sich am Strand ins Mäulchen grinst, wartet auch im Meer so manche Gefahr. Zum Glück bekommen wir in Tricky Wave von diesen Gefahren nichts mit, denn wir haben es mit einem Kinderspiel von Elliot Rudell aus dem Hause Game Factory zu tun. Und dennoch ist Tricky Wave irgendwie wie ein Kampf gegen Windmühlen und ziemlich gemein. Wir haben es zwar nicht mit einer Windmühle zu tun, sondern mit einer gemeinen Welle, aber das reicht schon aus. Wenn dann noch die Mitspielenden sich einmischen, ist ärgern am Spieltisch angesagt.
Das Meer ruft
Tricky Wave ist schnell erklärt und verstanden. Würfeln, bewegen (Schildkröte oder Welle) und entweder Würfel weitergeben, oder ein weiteres Mal würfeln. Fertig. So einfach sollte ein Kinderspiel sein. Aber hinter Tricky Wave steckt nicht nur Fräulein Zufall in Badehose und FlipFlops, sondern auch die Planung. Auch wenn der olle Würfel unplanbar ist und immer so fällt, wie man es gerade nicht braucht, so kann man seine Schildkröten doch recht gut positionieren und bewegungsbereit machen, wenn man etwas nachdenkt. Besonders das Mitschwimmen auf den Schilden der größeren Kröten ist nicht zu unterschätzen. In Tricky Wave fühlen wir uns des Öfteren als Reittiere, unter denen die größeren Kröten oder die Welle als Gefährt fundiert. Während uns die Kröten nach vorne bringen, schiebt uns Freundchen Welle immer zurück Richtung Strand. Es ist wie mit dem Stein und dem Berg – ein Hin und Her.
Aufmachung
Tricky Wave ist wirklich schön. Und auch wenn die Kröten aus Klapperplastik sind, so besitzen sie ein Flair von Sandkastenspielzeug, der zum Spiel richtig gut passt. Nur die Farben sind irgendwie „ih ba“. Aber das ist wohl Geschmackssache. Das Spielbrett ist ziemlich lang und in seiner Form außergewöhnlich. Hübsch allemal. Ein absoluter Hingucker ist die Welle, die aus einem sehr stabilen Karton zusammengesetzt ist. Wow, da schauen nicht nur Kinderaugen Sternchen. In meinen Spielrunden war die Welle DER Hingucker. Sie passt auch sehr gut auf das Spielfeld und schiebt sich sanft und geschmeidig über das Brett. Also, Optik und Ausstattung (ja, auch Plastik passt hier ganz gut, aber siehe nächsten Abschnitt) sind tippitoppi.
Tricky Moral
Als ich Tricky Wave das erste mal sah und spielte, müsste ich sofort an die wellenreitenden Kröten aus Findet Nemo denken. Und tatsächlich ist die Ähnlichkeit sehr hoch. Ihr werdet unweigerlich ebenfalls so denken, wenn ihr das Spiel seht und spielt, das verspreche ich euch. Schlimm ist es ganz und gar nicht, passt einfach super.
Aber fern ab der Transtextualität musste ich auch an so manch andere Seitenhiebe denken. Unsere Meere sind nicht nur reich an Tieren, Gesteinen und vor allem Wasser, sondern auch ein Quellberg an Müll, Treibgut und Abfall. Der Plastikgehalt im Wasser ist so groß, dass man im Meersalz, was wir essen, Spuren von Plastik und Abfall nachweisen kann. So ist es doch selbstverständlich, dass auch unsere Schildkröten nicht aus Holz, Sand oder Wasser gestaltet sind, sondern hartes und lautklappriges Plastik aufweisen. Noch kritischer hätte ich es gefunden, wenn sich um den Hälsen der Kröten den ein oder anderen Plastikring gekräuselt hätte.
Auch moralisch tritt Tricky Wave dahin, wo es ab und an wehtut. In Tricky Wave geht es nicht nur darum vor der Welle acht zu geben, die einen hier und da immer zum Anfang zurück schiebt, sondern auch die Mitspielenden sind „Einnehmende“ oder „Trittbrettfahrende“. Übertragen bedeutet Tricky Wave: Du kannst Dich anstrengen, wie Du willst, immer wieder kommt jemand daher, der seine Hand ausstreckt und sagt: „Halt Stopp, bis hier und nicht weiter. Los zurück!“ Das kann ein wertendes Schulsystem sein, eine neue Gesetzesverordnung, oder sonst was. Wenn man sich nicht drüber hinweg setzt und auch mal über die Welle springt, wird das nichts mit Zielvorstellung und Selbstverwirklichung. An sich ein ganz schöner Ansatz – muss aber erst mal geschafft werden.
Damit wir das schaffen können, ist der wahrliche Inhalt von Tricky Wave: „Schwimme mit anderen mit, lass Dich von ihnen tragen, teilweise schwimm auf der Welle mit, aber finde den Absprung alleine. Ellenbögen hoch bitte, jetzt komme ich!!!“
In Tricky Wave überstülpen große Kröten die Kleinen, während sich diese parasitär am Panzer klammern können. Im Schatten stehen? Oder sich den Arsch nachtragen lassen? Wie man es macht, mit Selbstverwirklichung hat das gar nichts zu tun.
Kinder bekommen in Tricky Wave vermittelt: Du kannst Dich anstrengen, wie Du willst, aber hier und da schiebt Dich eine Welle zurück, zecken sich andere an Dich an, oder überrennen Dich. Bei so einer Aussage ist der Geschmack von Tricky Wave kein Südseewasserurlaub, sondern ziemlich ziemlich bitter.
Zum Glück merken wir davon nichts im Spiel, denn Tricky Wave ist im Spielgeschehen witzig, ärgerlich, spannend und kurzweilig. Das überdeckt die Moral ziemlich schnell und macht uns blind fürs wesentlich: Freude am Spiel. Und das ist auch gut so.
Tricky Wave ist ein unterhaltsames Kinderspiel, das auch Erwachsenen sehr viel Freude bereitet. Wir hatten in unseren Besetzungen, wobei wir die Besetzung in einer 4er-Runde immer am besten und aktivsten fanden, sehr viel Freude gehabt. Ein tolles Spiel, bei dem man einen etwas längeren Tisch braucht.