In der Königsstadt geht die Luzi ab!
Üppig, opulent und voll mit Zeug. In Marrakesh, dem 4. Stefan Feld Spiel seiner City Collection, steckt allerhand Spielmaterial und Spiel drin. Darum ist die Schachtel auch in einem eher ungewohnten Format für Spielende zu bekommen. Double-Layer-Spielbretter, viele Holzfiguren, ein Würfelturm, Plättchen und viel mehr. Marrahesh ist nicht nur eine Perle des Südens, sondern auch eine Spielperle auf dem Spieletisch. Dieser sollte entsprechend groß sein, denn bei einer 4er Partie braucht man schon Platz auf dem Tisch.
Ich schaue heute auf das (wie es sich selbst bezeichnet) Würfelturm-Spiel Marrakesh von Stefan Feld, welches bei Queen Games erschienen ist.
Oktagon zu Keshi
Vielleicht setzt sich diese Wortschöpfung durch, das wäre klasse, denn den Begriff Keshi habe ich zuvor noch nie gehört. Keshi leitet sich von Marrakesh ab, und es bezeichnet die wohl wichtigste Grundsubstanz des Spiels: Die Oktagone (Holzspielsteine mit acht Ecken) der Ressourcen.
Gleich 12 unterschiedliche Warenarten/Ressourcen gibt es im Spiel, und von jeder Art auch 25 Stück. Das macht ein fettes Zipbeutelchen von 300 Holzklunkern, wenn das mal nicht ne Menge ist.
Und mit diesen „Keshis“ werden wir so einiges machen im Spiel, wenn nicht sogar alles, denn die Keshis sind der Hauptbestandteil des Spiels.
Diese werden jede Runde in einen Würfelturm geworfen, in dem 2 Ebenen eingebaut sind, die veranlassen, dass nicht jedes Keshi, welches oben hineingeworfen wird, unten auch wieder rauskommt. Dieses Prinzip kennen wir schon aus so manch anderen Spielen, wie Shogun, Wallenstein, oder auch Murmelvarianten haben wir kennen lernen können, wie zum Beispiel bei Potion Explosion oder Golem. Wir hoffen drauf, dass die Keshis auch uns zur Verfügung stehen, in denen wir auch Assistenten eingesetzt haben, denn diese wollen wir mit den Keshis aktivieren, oder die Gebiete erweitern.
Insgesamt werfen wir 4 x 3 Keshis in den Turm, sammeln Keshis wieder ein, setzen sie auf unsere Double-Layer-Spielbretter und aktivieren eingesetzte Assistenten. Schön wäre es, wenn die Keshi-Farbe auch dem Bereich der Assistenten entspricht, denn so können wir eine größere Aktivierung oder auch Ausbeute erhalten.
Nach unseren 12 Spieldurchgängen ist das Spiel zu Ende und die Punkte werden zeigen, wer gewonnen hat.
Zwar hört sich es so an, dass Marrakesh mit gerade mal 12 Durchgängen (also 3 x 4 Runden), ziemlich kurz sei, dem ist aber nicht so. Ich konnte schon so mancher 4 Personenrunde beiwohnen, die gute 3 Stunden gedauert hat. In Marrakesh können wir uns Zeit lassen, oder auch nehmen, was vielleicht bei manchen zu langen Denkpausen führen kann.
Hier wäre es gut allen Mitspielenden den Schups zu geben, auch zügig zu spielen, so wie sie es denn können. Das Spiel hat kein Downtime-Problem, sondern es gibt einem so viel Möglichkeiten, und man sollte gut überlegen, welche Möglichkeit einem zum gewinnbringenden Sieg führt.
Typisch Feld
Bei Feld-Spielen ist die Spielweise oft so: „Wo soll ich nur anfangen?“
Es ist wie bei manch Eisdielen-Situation, oder wenn man vor Supermarktregalen steht, die eine üppige Süßigkeitenauswahl aufweisen: „Wo soll ich nur anfangen?“ Genau. Wer die Qual hat, hat die Wahl. Bei Stefan Feld Spielen ist es oft so: Ui ui ui, wo genau fange ich an, und welcher Spielzug ist jetzt der Beste?
In Marrakesh haben wir eigentlich, EIGENTLICH, nur die Aufgabe aus (anfangs) 12 Spielsteinen 3 auszusuchen, dann die Assistenten einzuplanen, die Keshis in den Turm zu werfen, Keshis auszuwählen, und Bereiche mit Assistenten zu aktivieren. Hört sich mega simpel an; aber womit starte ich????
Hier bekommst Du Datteln, aber Datteln brauche ich für die Madrasa, ach ja, ich brauche nur Geld, aber müsste ich nicht auch auf dem Fluss Tensift weiterschippern, ne Moment, ich muss erst den großen Platz aktivieren, halt stopp, erst muss die Moschee und der Palast erklommen werden, aber so richtig Punkte mache ich doch nur durch den Erwerb von Luxusware, aber da brauche ich Teppiche, Leuchten und Gewürze, und warum lasse ich die Stadttor außen vor, und wo um Himmels Willen sind die Wasserverkäufer? Ja, so könnte das Feuerwerk im Cortex stattfinden. Piu-piu-piu …
In Marrakesh kommt es zudem zu knallhartem Konkurrenzkampf, denn Mitspielende sammeln vor dir DEINE Keshis ein, wie frech, und sorgen dafür, dass dein Zorn durch fest zusammengepresste Zähne grämt. Grrrrr…, macht es da. Wie frech!
Ganz typisch Feld kommt es auch (und vielleicht auch besonders) in Marrakesh zu genau diesen Situationen, in denen geschimpft, geärgert, lange überlegt und nachgedacht wird, ob diese Entscheidung jetzt genau die Richtige war, oder die zweckmäßig beste Wahl ist.
Durch den Würfelturm-Einsatz kommt zudem eine Zufälligkeitskomponente hinzu, denn wie schon weiter oben geschrieben: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt, wenn die Keshis in den Turm fallen.
In Marrakesh fühle ich mich wohl
Ja, das kann ich sagen. Marrakesh ist in vielerlei Hinsicht ein Spiel, was mir absolut gefällt. Ich schreibe hier gerne mal auf, was mich an Marrakesh begeistert und woran ich auch zu knacken habe.
Die üppige Auswahl: Wie es oft bei Feld-Spielen ist, auch in Marrakesh haben wir die Qual der Wahl. Es gibt so viele Möglichkeiten und dankenswerter weise ist das Spiel sehr belohnend, denn irgendwie bekommen wir „immer etwas raus“, aber ist das, was wir erhalten auch die beste Alternative? Das mag ich sehr, dass das Spiel so überaus facettenreich ist. Viele Strategien führen zu Punkten und damit vielleicht zum Sieg. Geht man ganz an die Erstellung an Luxusgüter? Oder flitzt man die Moschee und den Tempelpfad hinauf? Versucht man die Dattelplantage ganz auszubauen, um am Ende viele Datteln zu verkaufen? Keine Ahnung – das wird das Spiel schon zeigen. Wie schon geschrieben, irgendwie bekommt man immer etwas und das fühlt sich einerseits belohnend an, und andererseits macht es auch erzürnt darüber, wenn vor dem eigenen Auge Keshis geklaut werden, die man so gut gebrauchen könnte.
Des Weiteren ist das Spiel eine Augenweide. Ich finde es wirklich schön, bunt und sehr üppig ausgestattet. Wer noch etwas mehr Geld ausgeben möchte, kann sich die Deluxe-Ausgabe gönnen, die dreidimensionale Tore, unterschiedliche Assistenten, bedruckte Marker bietet, und man könnte auch noch Metallgeldmünzen bekommen, wenn man denn sein Spiel so ausgestattet haben will.
Mir gefällt auch der Komplexitätsanspruch: Das Spiel ist leicht zu verstehen und zu erklären, und dennoch komplex zu spielen. Es bietet enorm viel Tiefe und auch einen hohen Wiederspielreiz. Mich spornt es an unterschiedliche Strategien zu fahren, und um zu sehen, wie der Punktestand sich ändert. Das gefällt mir sehr.
Gibt es auch etwas, woran ich etwas zu knausern habe? Nun, bei dem Preis hätte ich mir gewünscht, dass man die maximale Anzahl an Keshis dem Spiel beigelegt hätte, die man maximal auch einsetzen kann. Bei 8 Keshis pro Bereich bei 4 Spielbrettern kommt man nach Adam Riese auf 32 Keshi-Spielsteinen. Es liegen aber pro Farbe 25 Spielsteine vor. Verstehe ich nicht. Wir hatten oft die Situation, dass man dann alternativ andere Farben nutzen soll. Sorry, aber da spinnt mein innerer Monk in mir – bei dem Preis?
Auch hatte ich es schon gehabt, dass ich in einem Spiel fast nicht die Chance hatte, Wasserverkäufer zu bekommen. Mitspielende haben diese IMMER einem vor der Nase weggeschnappt, oder sie kamen erst gar nicht aus dem Würfelturm. Am Ende gibt es 10 Punkte für komplett gefüllte Bezirke. Hier gab es schon mal Siegänderungen und Niederlagen, an die man nicht geglaubt hätte. Fühlt sich teilweise etwas zu ärgerlich an.
Aber das sind vielleicht auch nur die beiden Punkte, an denen ich etwas das Augenlid in Falten lege. Ansonsten ist diese Städtetour ein Spielequell der sehr großen Freude. Ein ganz toller Feld ist das – top!